Hietzinger Stelzen

Gerhard Maier

by Gerhard Maier

Story

„Ich habe mich in Wien verirrt!“ erzählt selbstironisch unser Neffe. Er hatte seine Freundin besucht, die war am Freitag verhindert, er dachte sich, dann schau ich mir alleine >was Lässiges< an und gehe schön Essen.

Er isst für sein Leben gern, er ist von allen Seiten erblich vorbelastet.

Was ist >was Lässiges< für einen 25-jährigen Pongauer? Schönbrunn!

Man kann in Parks herumstreunen, sich im Vorübergehen Schlösser ansehen, eventuell den Zoo. Wo viele Leute sind, gibt es viele Restaurants mit vielen leckeren Spezialitäten. Kurz nach dem Frühstück bereitet sich der Körper auf neuerliche Nahrungsaufnahme vor.

Mit der Straßenbahn gehts nach Hietzing, er schlendert Richtung Zooeingang, hinterm Zaun steht ein altmodisches Glashaus. An der Kasse nimmt er das Rundumpaket, er hat ja Zeit.

Ja schau, das altmodische Glashaus gehört zu den Sehenswürdigkeiten, es ist das berühmte Palmenhaus. Die Luft drinnen ist streckenweise drückend, punktweise verschafft ein Ventilator etwas Luft. Die Pflanzen sind imposant. Gut, im >Universum< sind sie imposanter, da gibt es einfach mehr von einer Sorte.

Wüstenhaus? Das kann man ruhig mitnehmen, es ist nicht weit dorthin. Auch nicht schlecht, was man hier sieht, es macht Eindruck, aber kleinlich sind doch die Terrarien mit den Wärmelampen . Kakteen und ähnliches Gewächs steht herum. Schlangen, Skorpione, Echsen soll es hier geben, sie verstecken sich. Im >Universum< sieht man sie einfach besser.

Jetzt aber ab in den Freiluftzoo, da wird es wohl mal einen Imbiss geben, die Magensäfte melden sich. Die Gaststätte am Platz zwischen den Zwingern ist gefüllt, die lockt ihn nicht zum Verweilen. Kinder düsen mit Süßigkeiten herum, er denkt an etwas Pikantes.

Die Tiere lenken ihn kurz vom wachsenden Hunger ab. Es ist alles da, die Aufmachung ist halt etwas altmodisch, zu beengt für Wildtiere.

„Das ist mir schon klar, dass das der älteste Zoo Mitteleuropas ist – die historische Bedeutung und so! Und dass Zoos für den Erhalt bedrohter Tiere arbeiten – Nachzucht, Genpool und so! Ich bin ja nicht vom Mond!“

Am besten haben ihm die Pinguine gefallen, das Becken war luftig leicht, Glas und Wasser haben geglitzert wie eine Eislandschaft. Dazwischen die unermüdlichen Pinguine, die sich herzhaft ins Wasser gestürzt haben…

Da ein Wegweiser: Tirolerhaus. Der Name zieht ihn den Hügel hinauf. Das ist doch das berühmte Tirolerhaus, wo sich Onkel und Tante jeweils eine Stelze bestellt haben. Die waren so riesengroß, zu groß für die Tante, der Onkel hat auch ihre verputzt. Dann kam der Moment, als der Onkel beim Kellner einen Espresso bestellte und ihm nachrief: „Aber mit Süßstoff!“ Daraufhin der Kellner kopfschüttelnd: „Zerst frisst a zwa Stötzn..!“

Endlich im Tirolerhaus, der Speichel fließt. Die Speisekarte ist unspektakulär, keine Stelzen, wahrscheinlich ein Geheimtipp „Herr Ober, bitte eine Stelze!“

„Burli, du bist do im Tirolerhaus! Wonnst a Stötzn wüllts, dann muasst ins Schweizerhaus in Proda!“

© Gerhard Maier 2020-06-14

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