by CameoBarnum
Ich frage mich, ob ich jemals wusste, was es bedeutet zu vermissen. Und damit meine ich WIRKLICH zu vermissen.
Denn jemanden zu vermissen den man länger nicht gesehen hat und nur anrufen kann aufgrund einer weiten Entfernung oder ähnliches, erschien mir bis vor einigen Wochen wie ein starker Schmerz. Schließlich ist das Gegenübersitzen bei einer geliebten Person, die man umarmen und spüren kann so viel stärker als ein Anruf.
Doch jetzt stehe ich hier. In einer Küche die nicht mir gehört. In einer vollmöblierten Wohnung in der nichts mir gehört außer meiner Kleidung und dem mitgebrachten Hab und Gut. Ich stehe da und warte darauf, dass das Wasser kocht. In einem Topf, der ebenfalls nicht mir gehört.
Warum bin ich hier? Ich sollte nicht hier sein. Ich sollte in unserem gemeinsamen, neuen zu Hause sein, das wir uns seit Jahren aufbauen wollten und kurz davor war in die Realität umgesetzt zu werden.
Wie konnte es nur so weit kommen? Heute vor 2 Monaten haben wir unsere neue Couch bestellt. Jetzt schlafe ich auf einer Couch, die ich mir nie ausgesucht habe, weil ich im Doppelbett, das ich mir auch nie ausgesucht habe, nicht schlafen kann. Denn du bist nicht da.
Ich gehe alleine einkaufen – das hatten wir immer gemeinsam gemacht – und greife zu Dingen, die man sonst nur kauft, wenn sie einem ausgegangen sind. Jedes Gewürz das ich in meinen Einkaufskorb lege, erinnert mich daran, dass ich komplett von vorne anfange. Denn die Küche ist leer. Ich sehe eine Küchenschere auf Haken im Regal hängen… stimmt… so etwas braucht man auch, wenn man eine Küche ausstatten will. Oder muss.
Lange habe ich die Fassade aufrecht halten können. War im Funktionsmodus und auch in der Schockstarre. Doch jetzt, da wieder ein bisschen Alltag in mein Leben tritt, vermisse ich dich in jeder noch so unscheinbaren Situation. So schlimm das Geschehene auch war, es löscht unsere letzten sieben Jahre nicht aus.
So oft mache ich Fotos von schönen Dingen in meinem Alltag, will sie dir schicken wie früher. Doch dann fällt mir ein, dass ich sie dir nicht schicken kann. Und die Bilder scheinen plötzlich gar nicht mehr so schön zu sein.
Ich habe mich oft nach ein wenig Stille in unserem hektischen Alltag gesehnt. Jetzt ist es viel zu still. Obwohl ich den Kontakt zu dir so gering wie möglich halten muss, um mich zu schützen, frage ich mich jeden Tag, wenn ich alleine beim Esstisch sitze, was du wohl gerade machst.
Du glaubst, dass ich mit allem schon abgeschlossen habe, weil ich gehen musste. Doch ich vermisse dich und uns jeden einzelnen Tag. Und ich bin mir sicher, dass ich noch nie in meinem Leben so tief vermisst habe. Ich habe Angst davor zu schlafen, weil ich nicht von dir träumen will. Gleichzeitig habe ich Angst aufzuwachen und einen neuen Tag in diesem Zustand überstehen zu müssen.
Die geliebten Menschen um mich können noch so oft sagen, dass ich gehen MUSSTE. Denn zu viele Grenzen wurden überschritten. Ich weiß, sie haben recht. Doch jetzt erst lerne ich, was es wirklich bedeutet zu vermissen.
© CameoBarnum 2022-11-30