Verstrickung in der Beziehung

die kunst der perspektive

by die kunst der perspektive

Story

#spiegelstress #mut #bindung

Unser Sohn Lukas war damals 8 Jahre alt. Nach den Weihnachtsferien wollte er nicht mehr in die Schule gehen. „Ich mag einfach nicht!”, waren seine Worte. Meine Frau und ich konnten uns das nicht erklären. Er war doch ein guter Schüler und ein aufgeschlossener Junge.

Wir suchten das Gespräch mit seiner Klassenlehrerin. Sie sah in Lukas einen sehr sensiblen Jungen, dem Kritik und Ungerechtigkeit sehr nahe ging. Sie gab uns den Rat zu überlegen, was in den letzten Wochen so geschehen sei und ob das Verhalten des Kindes eine Spiegelung aufzeigen könnte.

Zu Hause haben wir mit Lukas gesprochen. Wir haben gemeinsam überlegt, was die letzten Wochen so geschehen war. Dann erzählte Lukas von unserem Skiausflug. Er traf dort seinen Schulkollegen Moritz. Sie sind gemeinsam ein paar Abfahrten gefahren. Lukas erzählte, dass sie an eine Stelle gekommen waren, an der es sehr steil war. Er traute sich nicht weiterzufahren. Moritz sagte zu ihm: „Du bist ein FEIGLING!” Es war nicht das erste Mal, dass Lukas diese Worte von ihm hörte. Er fühlte sich dadurch minderwertig.

Wir waren sehr froh, den Grund herausgefunden zu haben und konnten jetzt entsprechend reagieren. Zum Glück ist Lukas Klassenlehrerin auch sehr gut geschult in systemischer Pädagogik und die Wirkungsmechanismen des Spiegelneuronenstresses sind ihr auch bekannt.

Wir haben uns dann einen Termin mit ihr ausgemacht. Im Vorgespräch hat sie uns erklärt, sie würde gerne mit uns allen eine Übung zum Thema „Selbstwert” machen. Sie zeigte uns ein Poster, auf dem stand: „Hier war ich schon einmal mutig …” Jeder von uns sollte auf das Poster eine Situation schreiben oder zeichnen, in der wir schon mal mutig sein mussten oder gerne mutiger wären. Lukas gefiel diese Übung. Er war ganz erstaunt darüber, was wir hier alle zu erzählen hatten.

Kurz vor Ende des Gespräches, nahm mich die Lehrerin zur Seite und legte mir nahe zu überdenken, ob vielleicht das Thema „Minderwertigkeit” allgemein in unserer Familie eine Rolle spielen könnte. Sie erklärte mir, dass Kinder sehr oft Beziehungsthematiken beziehungsweise unterdrückte, persönliche Angelegenheiten der Eltern widerspiegeln und das sich genau dadurch die Möglichkeit ergibt, unbewusst wirkende Umstände zu erkennen und zu beleuchten. Die Aufforderung der Lehrerin hatte mich nachdenklich gemacht und ich konnte zum ersten Mal eine Erklärung und mögliche Verbindung, für die Schwierigkeiten, die ich in meiner ICH-Beziehung hatte und auch gleichzeitig eine spezielle Problematik in der Beziehung zu meiner Frau, erkennen.

Das MUT-Poster nahmen wir mit nach Hause und als Oma und Opa zu Besuch kamen, mussten sie auch ihre Mut-Situationen darauf notieren. Lukas bestand darauf.

Eine gute Bindung zwischen Menschen schafft Vertrauen. Vertrauen schafft Mut. Mut nimmt uns die Angst. Für Lukas war der nächste Schultag kein Problem mehr.

© die kunst der perspektive 2020-11-23

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