Virus unser! Die gemütlichste Mutation der Welt

Klaus P. Achleitner

by Klaus P. Achleitner

Story

Sonntag. Allein zu Haus. Spontan entscheide ich mich für einen ausgedehnten Spaziergang. Nicht so ein „Einmal-um-den-Block-schleichen“ und die Hühneraugen Gassi führen. Ich marschiere. Beim Gehen kann ich wunderbar nachdenken. Vom Strandbad in Schwarzindien, vorbei an einfachen Häuschen, Villen, Strand-Appartements und Frühstückspensionen. Bei der Kläranlage halte ich mich rechts Richtung Golfplatz.

Sommers sollte man den Golfplatz meiden, außer man spielt. Auf viele Golfer trifft zu, was man auch von manchen Jägern behauptet – sie treffen schlecht. Einem verirrten Golfball möchte man nicht ins Auge schauen. Winters aber kann man sich bedenkenlos auf die Gehwege wagen.

So gehe und denke ich, was wunderbar harmoniert. Meine Gedanken kreisen einmal mehr um das Corona-Virus. Ein gar winzig Ding, kaum Lebewesen zu nennen, hat unsere hochgezüchtete Zivilisation in den Schockzustand versetzt. So einfach. So effektiv. Dabei ist ES außerhalb seines Wirtes kaum lebensfähig. Wie so mancher durstige Gast auch!

Was ES gut kann, ist, zu mutieren. Der Ärgernisse nicht genug gibt es nun eine englische Mutation, ich nenne sie die „Schilehrer-Variante“. Nicht über die Bundesstraße ins Land gekommen, sondern per Einkehrschwung. Angeblich aggressiver und im Gegensatz zum britischen Premier nicht verhandlungsbereit, wenn es um Zielerreichung geht.

Dann gibt es eine brasilianische Mutation. Könnte man die vielleicht mit Samba-Tanz bekämpfen? Ihr südafrikanischer Vetter ist mir am liebsten, denn die Symptome sind (un)kontrollierte Bewegungen des Wirtes, man nennt es „Jerusalema-Dance“. Wer die Story gleichen Namens gelesen hat, weiß, ich bin damit bereits infiziert. Jerusalema ikhaya lami!

Am liebsten wäre mir eine österreichische Mutation. Die stelle ich mir sehr gemütlich vor. Das „Unsrige-Virus“ fängt man sich am leichtesten im Kaffeehaus ein. Da aber geschlossen, besteht keine Ansteckungsgefahr. Unser Virus hat es gern „gmiatli“ und verlässt daher den Wirt erst gar nicht. Wozu auch? Viel zu kalt in der Aerosol-Wolke. Sollte sich die heimische Mutation durchsetzen, wäre die Pandemie schnell vorbei.

So vor mich hin sinnierend umrunde ich den Drachensee und erreiche das Austria Camp. Just als ich auf Heimatkurs drehen will, verlieren meine Füße auf einer Eisplatte die Bodenhaftung. Mein Körper verzichtet auf Erdung und begibt sich mit Blick nach oben in die Horizontale. Der eisblaue Himmel beginnt sich einzutrüben. Zu behaupten, das Leben wäre an mir vorbeigezogen, ist übertrieben. Dafür war der Flug nicht lang genug.

Der harte Aufschlag holt mich buchstäblich auf den Boden der Realität zurück. Meine Haube erweist sich als illoyal und verlässt den Kopf, um allein den Boden zu küssen wie weiland der Papst in Wien. Nichts gebrochen oder verrenkt. Beim Schreiben dieser Zeilen erinnert mich aber mein verlängertes Rückgrat an den Sturz. (Schwarz)Indianer kennen keinen Schmerz. Unsereins schon.

© Klaus P. Achleitner 2021-01-30

Hashtags