Meine Großtante und mein Großonkel lebten in Weiden am See in einem alten Bauernhaus. Sie betrieben eine kleine Landwirtschaft mit ein paar Weingärten. Es gab Hühner, Enten, Schweine, ein Pferd, einen Hund und einige halbwilde Katzen, die sich nur widerwillig von mir hochheben und streicheln ließen.
Es war ein sehr einfaches Leben. In der Winterküche stand ein altes Radio. Fernseher gab es keinen. Wasser wurde aus dem Brunnen geholt und in großen Töpfen auf dem Herd heiß gemacht. Im hinteren Bereich des Hofes gab es ein Plumpsklo.
Es war Tradition, dass meine Eltern und ich jedes Jahr zu Weihnachten und an Ostern zu Besuch kamen. Zu Weihnachten blieben wir auch über Nacht. Ich glaube, es war der Stephanitag, an dem wir anreisten, im Gästezimmer übernachteten und am nächsten Tag wieder abreisten. Diese Besuche waren für mich sehr schön. Ich liebte meine Großtante und meinen Großonkel sehr. Auch von ihnen kam eine große Liebe, die mein Herz erwärmte. Sie hatten keine Kinder. Vielleicht wurde deshalb ihre Liebe in so konzentrierter Form mir zuteil.
Nachdem wir angekommen waren, wurden wir sofort durch Haus und Hof geführt. In den Stall, wo ein wunderschönes braunes Pferd stand, in den Schweinestall, wo drei Schweine gemästet wurden. Der Hund hatte eine eigene Hundehütte, die von meinem Onkel gezimmert worden war. Und auf dem Hühnerhof waren so um die 15 Hühner mit einem Hahn. Kamen wir zum Osterbesuch, gab es kleine Küken und Enten, die in der Sommerküche unter einer Wärmelampe untergebracht waren.
Nach dieser Besichtigung setzten wir uns in die gemütliche, gut geheizte Winterküche. Die Erwachsenen tranken ein Gläschen Wein aus eigener Produktion, das heißt eigentlich nur die Männer. Die Frauen waren damit beschäftigt, das Mittagessen zuzubereiten. Meist wurde ein Huhn geschlachtet. Es gab ein knuspriges Backhendl. Zu trinken bekam ich Frucade.
Meine Großtante und mein Großonkel schenkten mir viel Aufmerksamkeit. Oft setzte sich meine Tante an die Nähmaschine und nähte für meine Puppe schöne Kleider. Mein Onkel nahm mich in den Weingarten mit. Manchmal spannte er auch das Pferd vor den Wagen und machte mit mir eine Ausfahrt in die schöne Gegend rund um den Neusiedler See. Gegen Abend durfte ich die Eier abnehmen. Er gab mir kleine Hinweise und ich freute mich über jedes gefundene Ei.
Zu Weihnachten übernachteten wir auch bei ihnen. Es gab ein Gästezimmer. Meine Tante hatte liebevoll einen kleinen Christbaum aufgeputzt und kleine Geschenke darunter gelegt. Es war kalt. Das Zimmer war sonst unbewohnt und ausgekühlt, daher schwer beheizbar. Als Kind störte mich das nicht. Ich bekam einen mit Stoff umwickelten heißen Ziegelstein ins Bett und wurde mit einer schweren Daunentuchent zugedeckt. Und ich durfte bei meinen Eltern im Ehebett schlafen.
Im Morgengrauen hörte ich den Hahn krähen. Ich hörte, wie mein Onkel Wasser aus dem Brunnen pumpte. Für die Tiere und die Menschen.
© Ulrike Puckmayr-Pfeifer 2020-10-13