by Othmar Hill
Eine Kollegin kommt zum Besuch ins Wiener Büro und sieht ziemlich blass aus. Auf die Frage: “Was ist los mit Dir, Gabi?” kommt als Antwort: Stell Dir vor, was mir passiert ist: Mit meinem Mann, dem Hans, freuten wir uns über die Geburt unseres Sohnes! Wir lassen ihn von einem Arzt untersuchen, weil er einen dunklen, runden Fleck am Steiß hat. Wir hätten das Baby nie geschlagen und der Fleck verschwindet nicht. Der Arzt meint, das sei ein Mongolenfleck. Wo, bitte kommt der her? Der Doktor meint, dass da schon ‘fremdes Blut’ in der Familie gekommen sei. Die Mongolen hätten durch ihr Reiten durch die Jahrhunderte eine kleine genetische Deformation, die sich eben am Hintern als blauer Fleck zeigt. “Aber wir sind doch beide aus der Oberösterreich!”
Ihr ließ das keine Ruhe und sie durchsuchte am Dachboden eine Kiste mit Korrespondenz ihrer Mutter. In einem der Liebes-Briefe tauchte ein fremdländischer Name auf. Über das Internet fand sie einen Tiroler Arzt mit dem gleichen Namen. Ein Anruf brachte zutage, dass dies ein ganz seltener persischer Name sei. Er selbst kenne ihre Mutter nicht und war auch nie in Linz. Er weiß allerdings von einem Germanistik-Professor aus Persien. Er sei zwar mit ihm nicht verwandt, aber er habe dessen Telefonnummer. Bei einem Anruf in Teheran hebt eine Frau ab, die bruchstückhaft Englisch spricht und die ihre Telefonnummer wahrscheinlich nicht verstand. O.k. sie vergisst die ganze Sache. Nach zehn Tagen klingelt das Telefon und ein Mann sagt in sehr gutem Deutsch: “Hier spricht dein Vater, Gabi!” Er wisse, dass es sie gäbe, habe sich aber niemals in 38 Jahren aus Rücksicht auf die Schamgefühle der Mutter gewagt, sich zu melden. “Warum wolltest du mich sprechen? Weil ich habe ein Baby bekommen. Ein Mädchen oder ein Junge? Aha, ein Bub: Na dann pack Deinen Mann und das Kindchen ein und besuche mich im Iran!
Gabi bucht einen Flug und bei der Ankunft wartet ihr “neuer” Vater und zirka 75 Verwandte! In einem rauschenden Empfang wird sie auf den deren Schultern “nach Hause” gebracht. Es gibt ein Fest, bei dem die Männer und das Baby getrennt sind von den Frauen werden. In der Nacht muss sich Gabi eng an ihre Halbschwestern anschmiegen, damit sie den Familiengeruch annimmt. Eine ihrer Schwestern gleicht ihr aufs Haar, ist um zehn Jahre jünger und hat auch Psychologie studiert.
Nach der Rückreise werden die oberösterreichischenTanten mit ihren Kopftüchern um den Hals (statt vors Gesicht!), ganz unwirsch: “Ja Du bist ja gar nicht unser Blut. Wer weiß, ob dich dein Mann, der Hans, überhaupt noch will usw.” Fundamentalisten gibt es eben auch im Mühlkreis.
“Was soll ich denn jetzt tun?” fragt mich Gabi. Na, dann gebe ich dir einfach einen Franchisevertrag für den Iran, den du mit deiner Halbschwester in eine gemeinsame Firma einbringst. So hilfst Du mit, ausländischen Unternehmen den Markteintritt in den Iran zu erleichtern.
Unglaublich, dass so ein Mongolenfleck zu dauerhaften, interkulturellen Geschäften führen kann.
© Othmar Hill 2021-01-24