by Cole
Meine Höhen und Tiefen als Psychologiestudentin, dreimalig abgelehnte Kunststudienbewerberin, Frau in der Großstadt gibt es, verdeckt durch eine unsichtbare Mauer. Eine Mauer, welche ständig droht mich zu erdrücken. Mein Problem bin ich selbst, zumindest fühlt es sich so an. Ich habe keine interessanten Erlebnisse einer Chirurgin. Darf leidende Menschen nicht von eins auf zählen lassen, bis der nächste Moment der Geschichte dieses Menschen Stunden später erst weitergeht, verwirrt und mit Fäden im Arm. Auch habe ich keine Erfahrungen darin wie schwierig es ist, eine eigene Firma aufzubauen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, sich zu vermarkten. Die zerschmetternde Erkenntnis zu haben, dass das, worin man jahrelang seine Energie gesteckt hat, scheitert. Loszulassen, aufzugeben. Das Ende zu akzeptieren, ohne sich zu fragen, wozu das Ganze überhaupt?
Nein, zu diesem Punkt habe ich es noch nicht geschafft. Ich weiß nicht, ob ich mich jemals dazu bereit fühlen werde die Grenze zu meiner Außenwelt zu überschreiten. Den Schritt in die Realität zu wagen während in meinem Kopf dauerhaft zwei Sumoringer kämpfen. Jeden Stoß der beiden spüre ich, egal ob ich schlafen möchte oder feiern. Mittlerweile weiß ich nicht einmal mehr wieso sie kämpfen. Ich bin ein Tier, ausgebrochen aus der Gefangenschaft, welches nicht einmal realisiert frei zu sein. Älter zu sein. Der Kampf um das Überleben ist vorbei und doch fühle ich mich bedroht. Ich hatte die Kraft um etwas Besseres zu kämpfen, Ruhe zu haben. Endlich frei zu sein, nur um zu merken, dass ich doch nur körperlich frei bin. Wohin nun mit der Kraft?
Ich sehe wie all die Menschen um mich herum ihren Weg gehen. Nach New York ziehen, um sich an der Schauspielkunst zu versuchen. Ihre Träume verfolgen, trotzdem es so viele Gründe gibt dies nicht zu tun. Ich sehe Fotos von ehemalige Klassenkollegen mit ihrem Kind in der Hand und einem Glänzen in den müden Augen. Studentinnen mit Leistungsstipendien. Bachelorstudenten, welche bereits perfekt in das Uni-Netzwerk von Professoren und Forschung integriert sind. Ich sitze am Sofa.
Ich verwende oder verschwende meine Zeit damit, einen funktionierenden Menschen aus mir zu machen. Ziele habe ich, nicht einmal große Ziele. Bei dem Gedanken an diese will ich mich in meiner Decke verkriechen. Nur noch Wärme, Dunkelheit, Stille. Ich sehe nicht nur die Erfolge der Anderen, ich sehe alltägliche Begegnungen, Beziehungen, welche anderen so leicht fallen. Mein Komfortraum ist zu klein. Ich hasse mich selbst für meine Hürden und doch bin ich hier. Ich mache, was ich hasse, weil es notwendig ist.
Vielleicht darf ich mir auch einmal Sorgen machen. Sorgen um etwas, was ich selber aufgebaut habe. Sorgen um etwas außerhalb von mir. Mir ist bewusst wie zerstörerisch diese Sorgen um Beruf, Beziehungen, Unterkunft sein können. Trotzdem möchte ich auch einmal spüren, wie es ist, nicht im ständigen Kampf mit mir selbst zu sein. Zu leben.
© Cole 2021-08-24