Ich gehe die Herrengasse entlang, da nimmt mich die Auslage vom “REBUS” gefangen. Ja, der “Rebus”, den es schon lange nicht mehr gibt und der uns Handarbeitsbegeisterte viele Jahre mit Wolle, Garnen, Nadeln, Auszählstoffen, Füllwatte, Knöpfen, Reißverschlüssen, Seidenfutter und, und, und versorgt hat. Manchmal habe ich mir von den erfahrenen und kompetenten Verkäuferinnen so manchen Rat geholt, wenn ich mit einer Stick- oder Strick- oder Häkelschrift nicht klarkam.
Einige Jahre später denke ich an einen sonnigen Frühlingstag zurück, als ich gerade mal einige Jahre verheiratet gewesen bin. Ich kaufte rosafarbenes Garn für ein Ostertuch, ich bestickte nämlich damals für meine Schwiegermutter ein Leinengewebe mit religiösen Ostermotiven. Mir war das Garn ausgegangen, denn es fehlten auf der Kreuzstichdecke nur mehr die Zahlen für das Jahr. Beschwingt verließ ich das Fachgeschäft und machte mich auf den Weg nachhause. Ja, zu Ostern würde das Weihtuch fertig sein und dann bei der Speisensegnung seinen Einsatz finden.
Gerade als ich in Richtung Grazer Hauptplatz schlenderte, sah ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite meinen Ehemann. Ich wunderte mich sehr, denn eigentlich hätte er arbeiten müssen. Eine Straßenbahn verwehrte mir zuerst den Weg, aber dann lief ich in seine Richtung und umarmte ihn und sagte: “Na, junger Mann, damit hättest du wohl nicht gerechnet, mich hier zu treffen!”
Stocksteif stand Helmuth da, sah mich total überrascht an und ich hatte den Eindruck, dass er sich gerade in einer anderen Welt befand. Ich ließ ihn schließlich los, darauf räusperte er sich und sagte: “Schöne Frau, es ist bezaubernd, von Ihnen umarmt zu werden, aber ich kenne Sie nicht!” Zuerst lachte ich noch über diesen gelungenen Scherz, schließlich machte sich Unsicherheit in mir breit und dann betrachtete ich mein Gegenüber genauer – sowohl Statur als auch Größe passten haargenau, aber seine Augen waren braun. Helmuth hatte stahlblaue Augen, in die ich mich verliebt hatte.
Ich starrte den Mann entgeistert an und erst nach vielen unangenehmen Sekunden entschuldigte ich mich. “Tut mir wirklich leid, Sie müssen mich für eine Verrückte halten, aber Sie sehen genauso aus wie mein Mann Helmuth. Er aber lachte mich Gott sei Dank fröhlich an und meinte: “Na, ich muss Ihrem Angetrauten ja ganz schön ähnlich schauen!” Ich nickte, “Sie sehen ihm zum Verwechseln ähnlich, die dunklen Haare, die Fasson, außerdem der Peter Rapp Bart, die Levis Jeans, das weiße Hemd, das Leinensakko, die schwarzen Lederschuhe zum Schnüren – unglaublich, nur Ihre Augen sind braun und Sie tragen keinen Ehering an der linken Hand!”
Ich schüttelte den Kopf und dachte immer wieder: “Das kann doch gar nicht möglich sein! Leide ich an Halluzinationen? Ein bisschen Sorgen machte ich mir, denn ich befand mich in einer Ausnahmesituation. Wie war es um meinen momentanen Geisteszustand bestellt, das fragte ich mich.” Außerdem schämte ich mich entsetzlich.
© Christine Büttner 2021-03-20