Es gibt heute noch Momente, an denen ich mich frage, was wäre, wenn man mich nicht rechtzeitig gefunden oder wenn ich tatsächlich in der Nacht die Brücke heruntergestürzt wäre?
Ich kann es nicht sagen….
Es war so eine komische, anstrengende Zeit damals, als ich mich aufopfernd und nicht sehend gefühlt hatte. Irgendwie ist mein Leben so gar nicht nach Plan gelaufen. Ich weiß auch nicht, ob es einen Plan gab. Mir wurde immer eingetrichtert, dass ich mich nicht so anstrengen bräuchte, denn als Hausfrau und Mutter müsste man nicht viel können und wissen. Ich konnte noch nie so wirklich was mit mir anfangen. Ich war eine totale Spätzünderin in vielerlei Hinsicht. Es lag aber stets daran, dass ich nichts durfte. Freunde treffen? Wenn, nur unter Aufsicht. Einen festen Freund hatten stets die Anderen, ich war das Mauerblümchen. Ich war dick, klein, hatte schlechte Zähne und war Ausländerin. Eine Italienerin. Eine schwäbische Italienerin, besser gesagt. Aber auch ich habe einen Mann abbekommen und drei Kinder von ihm. Heute Jahre später und zum zweiten Mal verheiratet, die Kinder schon erwachsen, fühle ich mich, als ob ich so viel Zeit verloren, vergeudet und vertan habe. Es ist so nichtssagend, morgens aufzustehen, kaum Sinn im Tun zu haben und vor mich hin zu leben. Die Figur von den Geburten ruiniert, klein wie ich bin. Mit den Mitvierzigern zählt man schon fast zum alten Eisen. Lebenserfahrung, ein großes Talent kreativ zu sein. Und doch keine Chance auf dem Arbeitsmarkt.
Da erinnere ich mich zurück, als ich mit allem unzufrieden, überfordert, mit den Kindern alleingelassen, nicht wahr und nicht ernstgenommenen fühlte. Zu allem Übel mein Ex Mann mir die Kinder wegnehmen wollte weil ich in meiner Überforderung in einer Depression gefangen war. Trotz Tabletten und Behandlung war ich immer alleine und hatte keinerlei Unterstützung. Als er mit den Kindern, damals noch zwei, durch die Tür verschwunden war, war ich am Boden zerstört. Ich konnte nicht mehr klar denken. Als ich dann die Rücklichter unseres Kombis durch das Fenster davon fahren sah, sackte mein Körper in sich zusammen. All das zusammen reißen, immer zu funktionieren, zu lächeln, wenn mir zum Weinen war, den Schein zu wahren, obwohl meine Welt buchstäblich aus dunkel und Dunst bestand, nahm, nachdem ich mich irgendwie Richtung Schlafzimmer geschleppt hatte, meine Tablettenpackung und drückte viele Tabletten raus. Ich weiß nicht genau, wie viele es waren, aber es waren eine ganze Handvoll. Nachdem ich die genommen hatte, legte ich mich aufs Bett und bin kurzerhand später eingeschlafen. In meiner anderen Welt war alles so leicht, so hell, so warm. Ich fühlte mich froh, heiter, federleicht. Blumen, wohin ich schaute, ich setzte mich hin und genoss die Farben und nahm einen süßlichen Duft wahr.
Ich weiß nicht, wie lange ich dort war, Minuten oder waren es Stunden? Abrupt wurde ich aus der geborgenen Welt ausgesogen, mein Körper verkrampfte sich und wehrte sich mit aller Macht. Er zwang mich, mich zu übergeben. Das Gift loszuwerden. Als ich zurück zu mir fand und ich laute Stimmen um mich herum wahrnahm, wusste ich sofort, ich bin noch am Leben.
Aber warum? – genau so erlebt –
© MeinNeuesIch2020 2025-08-06