Warum steht Albert nicht bei mir?

Heidemarie Brezina

by Heidemarie Brezina

Story
Wien Albertplatz 8.Bezirk 1833 – 2024

Albertplatz, 8. Bezirk in Wien, ja und? Es gibt Wohnhäuser, ein gelbes Biedermeierhaus von 1812, selten fällt jemandem der Brunnen ein. Das kränkt mich, denn hier wurde ich aufgestellt als Brunnenfigur, um sauberes Wasser für die Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Es gab immer wieder Choleraepidemien, bei der viele Menschen starben. Es musste was gemacht werden. Frauen sind meist die Ideengeberinnen, wenn es um soziale Verbesserungen geht. In meinem Fall war es Marie Christine, die Lieblingstochter Maria Theresias, die in ihrem Testament verfügte, eine Wasserleitung zu bauen, um die hygienischen Verhältnisse in Wien zu verbessern. Sie selber starb mit 56 Jahren an Cholera, auch in der Hofburg gab es kein sauberes Wasser. Der Witwer Albert von Sachsen-Teschen(1742-1822) kümmerte sich um den Wasserleitungsbau, das Wasser kam vom Westen Wiens, die Quelle war bei der Hohen Wand in Niederösterreich. Das Brunnenhaus steht noch in der Hüttelbergstraße 30, es trägt das albertinische Wappen. Zwölf öffentliche Brunnen wurden von diesem Wasser versorgt, mein Brunnen war die Endstelle. Die Eröffnung meines Brunnens,1833, hat Albert nicht mehr erlebt. Aber zur Erinnerung an ihn wurde der Albertplatz, die Albertgasse und die albertinische Wasserleitung im 8. Bezirk benannt. Der Brunnen aber trägt meinen Namen, Isisbrunnen. Ich bin die ägyptische Göttin Isis, die Hauptfigur des Brunnens. Bei der Eröffnung war der Andrang so groß, dass sich die Menschen in langen Reihen anstellen mussten, um Wasser zu schöpfen. Das war ein Lärm, wenn die Eimer gegen das gusseiserne Becken schlugen. Ich spürte das Vibrieren durch den ganzen Körper. Aus zwei Löwenköpfen floss das Wasser in das gusseiserne Becken. Ich stehe auf einem viereckigen Sockel, schlank und aufrecht mit einer langen Tunika und einem Umhang, der vorne geknotet ist. In der ausgestreckten linken Hand halte ich einen Wasserkrug, manche meinen einen Weinkrug und in der rechten erhobenen Hand eine Rassel, eine Art Musikinstrument. Mit dieser Rassel konnte ich mich bemerkbar machen, wenn das Gedränge um das Wasser zu groß war. Ich werde auch als mütterliche Göttin und als Göttin der Genesung angesehen. So meine ich, dass ich gut zum Brunnen passe, der für die Gesundheit der Menschen mit dem sauberen Wasser beigetragen hat. Ich bin eine exakt getreue Kopie der Isis Statue in der Antikensammlung im Kunsthistorischen Museum. Die Statue im Museum ist aus Marmor, ich bin die einzige gusseiserne Statue mit einem gusseisernen Brunnenbecken in Wien. Meine Aufgaben als Göttin waren so vielfältig, dass ich sie hier nicht alle erwähnen kann, eine sehr komplizierte Geschichte ist meine Herkunft und Bedeutung. Als Göttin war ich in Ägypten eine der mächtigsten Gottheiten, man sagt, ich meisterte jede noch so hoffnungslose Situation. Da es damals in Wien modern war Figuren aus der ägyptischen oder griechischen Geschichte als Statuen aufzustellen, hat man sich für mich entschieden. Der Anschluss an die Erste Wiener Hochquellenwasserleitung ließ das Wasser versiegen. KEIN TRINKWASSER steht jetzt am Brunnenrand. Wer bei mir vorbeikommt, werfe einen Blick auf das Sgraffito am Haus Albertplatz 7, es erinnert an den Bau der Albertinischen Wasserleitung.

© Heidemarie Brezina 2024-02-19

Genres
Novels & Stories
Moods
Inspirierend, Unbeschwert, Entspannend