Was in Vegas passiert-ändert Dein Leben #10

Bauchgefühl und Feinfühligkeit – diese zwei Zauberwörter sind im Moment bei mir extrem gefragt. Eigentlich will ich nur meine Ruhe haben und mich immer wieder zum Konzert und in die Presidential Suite zurückerinnern, alles in Gedanken noch 1000 Mal Revue passieren lassen, doch plötzlich merke ich, dass sich hier in der Realität die Lage zuspitzt. “The edge of reality”, würde der Boss sagen, äh singen. Jetzt stehe ich wohl zwischen zwei Stühlen- oder besser gesagt – zwischen zwei Männern. Von den Eltern habe ich früh den Tipp bekommen, eine Dreieckssituation besser nicht zustande kommen zu lassen, da man selbst am Ende ziemlich sicher zwischen beiden Stühlen durchfällt, egal ob es sich um Freundschaft oder Liebe handelt. Nun gut, ich suche doch gar keine Liebe – keinen Partner. Ich bin hier hergekommen, um einen Mann zu treffen, für den zig Frauen, über den ganzen Globus verteilt, töten würden. Ja, ich habe mich in Jerry verliebt. Seinem süßen Südstaaten-Gehabe und den dunkelblonden Locken kann man schwer widerstehen. Jetzt läuft mir dieser charmante und schlagfertige Italo-Typ unwillkürlich in die Arme.

“Viktor, bitte entschuldige mich kurz, ich möchte kurz ein Vieraugengespräch führen”. Er wirkt doch ein wenig erstaunt, antwortet aber gelassen aber auch kühl: “Schon gut, ich muss ohnehin jetzt zum Termin. Ich bin heute gegen 20:00 Uhr in The Peppermill, würde mich freuen, wenn du kommst”.

“Aber sie ist doch mehr als eine Freundin? Bitte nimm das nicht persönlich Jerry, aber ich denke, du kennst in jedem Städtchen ein Mädchen und …”, er legt seinen Zeigefinger auf meine Lippen und gibt mir anschließend einen Kuss, der mehr sagt als 1.000, nein als 100.000, Worte.

“Versprichst du mir, dass wir für immer Freunde bleiben, egal wie viele tausende Kilometer zwischen uns liegen? Wir sind uns so nahe, auch wenn wir kein Leben miteinander führen können”, schluchze ich. Jerry wischt mir eine Träne aus dem Gesicht und hält mich lange und innig fest. Diese Umarmung ist ein eindeutiges Statement. Ich weine jetzt vor lauter Freude, weil ich spüre das Richtige zu tun und im Zuge dessen einen Freund fürs Leben gefunden zu haben. Ich bin mir ziemlich sicher, mein Gefühl täuscht mich selten. “Bitte sage Deinem Boss, dass der 02.08.74 immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen haben wird, er ist ein einzigartiger, großartiger Mann mit einem Herz aus Gold”. “Das mache ich Honey, gleich am Weg zum Flughafen jetzt”, Jerry hält mein Gesicht in seinen Händen, sieht mir tief in die Augen und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.

Ich gehe so gelassen wie möglich zurück in die Boutique. Drinnen empfängt mich die Verkäuferin mit einem Glas Sekt, mit der Erklärung, dass ich so blass um die Nase sei. Ich drehe mich um, sehe ihn auf der anderen Straßenseite noch einmal mit seiner Memphis-Maphia -Sonnenbrille inklusive “Uniform”. Gelassen nehme ich einen Schluck Sekt und weiß in dem Moment, dass wir uns heute nicht zum letzten Mal im Leben gesehen haben.