Wie fühlst du dich, wenn du deinen Lieblingssong hörst. Zuerst brauchst du wenige Sekunden um zu begreifen, dass es wirklich gerade dieser eine Lieblingssong ist, den du im Radio hörst. Nach dieser Erkenntnis versuchst du schnell gedanklich in den Text hineinzukommen um nicht zu viel vom Lied zu verpassen, denn es ist ja genau dieser eine Song, der dir gleich ein bestimmtes Gefühl vermitteln wird. Musik kann alles in dir auslösen. Sie wird verknüpft mit deinen Erlebnissen, Erfahrungen, Schicksalsschlägen, Ereignissen und so weiter. Wir bleiben bei den Glücksmomenten. Wir spüren die Lieder dann so richtig als wäre das unser Auftritt. Auf jeden Fall war mein absoluter Lieblingssong im Jahr 2000 “in the end” von Linkin Park. Sobald der lief, egal wo konnte ich nicht still bleiben. Ihr kennt das bestimmt mit diesem explosionsartigen Gefühl. Plötzlich möchten wir uns in den Star, dem Interpreten versetzen. Wir möchten wie er sein können, nur für einen Moment. Solange das Lied läuft, möchten wir uns so bewegen und tanzen wie er, so machen als ständen wir mitten auf der Bühne vor einem riesigen Publikum. Dieser Moment gehört nur uns und wir wollen alle beeindrucken. Wir fühlen uns so verdammt gut diesen Song zu präsentieren. Wir sind textsicher und wenn nicht, überspielen wir die Lücken mit übertriebener Gesichtsgymnastik in dem wir die Lippen in alle Richtungen schieben, die Augen dabei schließen, unsere Augenbrauen zusammen schieben und die Stirn runzeln. Am meisten powern wir, sobald der Refrain eintritt und sind körperlich-emotional total dabei. Das ist unser Höhepunkt. In meinem Fall war das dann der Text: “I tried so hard and got so far but in the end it doesn’t even matter. I had to fall to lose it all. But in the end it doesn’t even matter”.
Ach ja ich war übrigens sechzehn Jahre alt, also ein richtiger Teeny.
Drei Minuten und Siebenunddreißig Sekunden lang läuft das Lied in “the end” von Linkin Park. So Lange dauerte es damals auch als meine Mutter eine Briefmarke in der Postfiliale kaufen ging.
So lange dauerte es damals als ich währenddessen, wartend im Auto saß, zu meinem Glück gleich in “the end” im Radio kam, meine Gefühle explosionsartig mit mir durchgingen und ich erst nach dem letzten Vers sah, wo wir geparkt hatten.
Das Auto stand vor einem riesigen Fenster eines Fitnessstudios, indem gerade ein Kurs mit vielen Spinning Teilnehmern stattfand. Wie verdammt peinlich war das denn bitte?
Dann glotzte ich kurz beschämt in die noch mehr glotzenden Gesichter hinter der Scheibe. Was ich gemacht habe?
Ich bin so tief es ging und mit einer Zeitschrift vor dem Gesicht auf dem Autositz nach unten gerutscht.
Dann las ich schnell den Artikel auf der Seite vor mir. “Was reife Frauen brauchen”.
© Carina Schwerdtfeger 2024-02-03