In den Anfängen der Eisenbahn, lange vor den modernen Tagen automatisierter Technik, steuerten Weichenwärter manuell von Hand die Bedienung der Weichen und die Einstellung der Signale. Ihnen übergeordnet in den Stellwerken war damals schon der Fahrdienstleiter. Mit dem Voranschreiten der Eisenbahn als Fortbewegungsmittel und des Ausbaus effizienterer Gleisbauten beschränkte sich das Aufgabengebiet des Weichenwärters vermehrt auf kleinere Teilstreckenabschnitte und die Funktion des Fahrdienstleiters wurde zunehmend zentraler und von weit bedeutender Funktion. Ihm obliegt die gesamte Signal- und Weichensteuerung eines oder mehrerer Stellwerke, ausgehend vom Hauptstellwerk.
Der Weichenwärter darf heute lediglich noch die Ersatzsignale bedienen und Rangierfahrten auf Nebengleisen nach eigenem Ermessen durchführen. Die Nutzung der Hauptgleise liegt in der Verantwortung des Fahrdienstleiters.
Versinnbildliche ich die Funktionen der beiden mitsamt ihrer Aufgaben- und Verantwortungseinteilung auf mein eigenes Leben, stellt sich mir die Frage:
Wo hat mich die Moderne eingeholt und jemand Übergeordnetes stellt für mich die Signale und Weichen?
Scheinbar habe ich auch nur noch uneingeschränkte Befugnisse auf den Nebengleisen meines Lebens. Die Weichen der Hauptgleise werden in einem Stellwerk abseits meiner Entscheidungs- und Einwirkungskompetenzen gesteuert und gestellt. Ich selber stehe als staunend dreinschauender Lokführer am Fenster meines Triebwagens und mache aus den mir vorgeschriebenen Gleisstrecken das Bestmögliche.
Ich darf uneingeschränkt entscheiden wo und mit wem ich heute Essen gehe, nicht aber wie schnell und in welche Richtung sich meine berufliche Laufbahn entwickelt. Heute Hochgeschwindigkeitstrasse. Morgen Abstellgleis.
Dampfloks sind Pioniere, aber ineffizient. E-Loks anpassungsfähig aber austauschbar. Wohin führt mich die nächste Weiche? Hm. Hauptsache, das Signal ist grün.
© Daniela Engel 2020-08-12