Wenn der Jasmin Trauer trägt – Jad Turjman

Susanne Paulus

by Susanne Paulus

Story

Ins Gespräch vertieft über seinen soeben erfolgreich absolvierten Auftritt als Stand-up Comedian überqueren wir den Platz vor dem Wiener Hauptbahnhof, Jad Turjman, der junge Mann aus Syrien, und ich, als er unvermittelt mit dem Arm ausholt und in Richtung eines unscheinbaren Lokals zeigt. „Dort habe ich meine erste Mahlzeit in Österreich gegessen!“ – „Marillenknödel!“, weiß ich, denn das beschreibt er in seinem ersten Buch „Wenn der Jasmin auswandert. Die Geschichte meiner Flucht” (mit einem Vorwort von Karim El_Gawhary). Eigentlich wollte er nach Deutschland, aber an der Grenze wurde er aus dem Zug geholt. Weinend stand er auf dem Bahnsteig und bettelte darum, weiterreisen zu dürfen. „Österreich ist ein wunderschönes Land, die Menschen sind freundlich und du wirst schnell Freunde finden. Du bleibst nicht alleine.“ Mit diesen Worten eines mitfühlenden Beamten endet das Buch. Jad hat es 2019, fünf Jahre nach seiner Ankunft in Österreich, geschrieben, auf Deutsch. Der Roman „Der Geruch der Seele. Eine Liebesgeschichte in Zeiten von Krieg und Revolution” folgte 2021. Beide Werke wurden Bestseller. Sein drittes Buch „Wenn der Jasmin Wurzeln schlägt. Wie ich gelernt habe, die Heimat in mir zu finden” erscheint im Herbst.

Die weißen Blüten des Jasmins, deren Geruch für Jad Heimat bedeutete, tragen nun Schwarz. Beim Wandern in den Bergen, die er so geliebt hat, wo er frei und glücklich war, ist er tödlich verunglückt. Sein Leben, seine Hoffnungen, Wünsche und Träume sind die Felswand hinabgestürzt und haben die Welt in diesem Moment des Beginns seiner ewigen Ruhe stillstehen lassen. – Wenn der Jasmin weinen könnte …!

Jad hatte stets ein Lächeln auf den Lippen, er war offen, freundlich, humorvoll und mitteilsam. Und doch … – In seinen durchdringenden graugrünen Augen nahm ich eine gewisse Ernsthaftigkeit, eine Traurigkeit wahr, die nicht zum äußeren Eindruck der Lebensfreude zu passen schien. Ein Teil von ihm war der Flüchtende, der Suchende, der Fragende und Bittende geblieben. „Nehmt mich als Menschen wahr, hört, was ich zu sagen habe, lasst mich Teil eurer Gesellschaft sein, gebt mir eine Heimat!“, war in seinen Augen zu lesen und hinter seinen teilweise an Sarkasmus grenzenden Jokes zu spüren.

„Du bleibst nicht alleine”, diese Schlussworte seines ersten Buches, haben sie sich für Jad als Prophezeiung bewahrheitet oder als unerfüllte Sehnsucht erwiesen? Ist er unter all den vielen Menschen, die er gekannt hat, letztlich doch alleine geblieben? Ein volles Leben hinterlässt viele Fragen. Dein kurzes, nur 32 Jahre währendes Leben war übervoll, Jad!

„Ich ging, aber meine Seele hat es verweigert, mir zu folgen und blieb in der Nähe des Jasmins.“

Mit dieser Zeile aus seinem Gedicht „Ich bin der Damaszener“ verabschiedet sich Jad nicht nur von seiner Heimatstadt Damaskus, sondern auch aus seinem Leben. Seine Seele wird uns im wunderbaren Duft des Jasmins begegnen und Frieden schenken. Jad hätte es so gewollt.

© Susanne Paulus 2022-08-01

Hashtags