Schon wieder eine Fünf in Latein.
Ich wünschte, Asterix und Obelix hätten die Römer damals mal hart genug verprügelt, denn dann müsste ich mich jetzt nicht mit dieser schrecklichen Sprache herumschlagen. Ach, hätte ich doch Französisch gewählt: Baguette, Eclair, Camembert. Alles so einfach. Doch stattdessen: Ablativ, AcI, casus ich-habe-keine-Ahnung-us… Ich kann einfach nicht mehr.
Mein Lehrer Herr Rost scheinbar auch nicht, denn er händigt mir den Test aus mit den Worten: „Das hat mich einen ganzen Rotstift gekostet.“ Er geht nach vorne und nimmt ein Blatt Papier vom Pult. „Pscht, seid mal leise.“
Wie nach jeder Klausurenausgabe ist es in der Klasse laut geworden. Manche weinen. Vor Enttäuschung oder Freude.
„Ich möchte euch gerne eine ganz besondere Übersetzung von unserer Schulaufgabe vorlesen. Eine Musterlösung quasi.“ Er befeuchtet kurz die Lippen. „Dafür, wie man es definitiv nicht macht. Also, hört zu: „Als die Sabiner ihre Tage hatten, gingen sie zu Julius und begannen einen Krieg.““
Leises Gelächter. Ich stutze. Das habe ich doch irgendwo schon mal gehört…
„Aber Julius griff mit einer weiblichen Truppe aus dem Westen an, sodass die Sabiner die Flucht ergreifen hätten können. Sklaven und Männer bluteten, bis sie letztendlich starben.“
Ich reiße meinen Test an mich. Als die Sabiner… Unmöglich! Herr Rost liest da gerade meine Übersetzung vor.
„Und als eigens hinzugefügtes Fazit der Autorin steht hier außerdem noch ein Tipp für die Sabiner: „Und die Moral von der Geschicht‘, habe deine Periode beim bekriegen lieber nicht.“ Na, das nenne ich doch ein Hoch auf die weibliche Menstruation.“
Tosender Jubel, während ich am liebsten vor Scham im Erdboden versinken möchte.
Nach der Stunde frage ich Herrn Rost voller Verzweiflung, was ich denn tun kann, um meine Noten anzukurbeln. Wenn das nämlich so weitergeht, befürchte ich stark, die Klassenstufe nicht zu bestehen. Vielleicht hat mein Lehrer ja einen Tipp. Ich denke da an eine Empfehlung für ein Übungsbuch oder allenfalls ein freiwilliges Referat. „Latein scheint einfach nicht dein Ding zu sein, Rebekka“, sagt er. Ich nicke zustimmend. Blitzmerker. „Die Wörter erraten, Grammatikregeln in den Wind schlagen… So läuft das nicht.“ Ich nicke nochmals. „Du bist und bleibst eben die Beste von den Schlechtesten.“
Sollte das etwa ein Kompliment sein?
„Ich wäre lieber die Schlechteste von den Besten“, murmle ich betrübt beim Hinausstapfen.
Warnung, Warnung: Nimm dich in Acht, Herr Rost! Wer kann schon wissen, welcher Krieg ausbrechen wird, wenn nächste Woche meine Periode wiederkommt!
Denn selbst Cäsar wusste ja schon: Menstruation kann in Gemetzel enden.
© Rebekka Görtler 2022-08-15