âWer Kindern PalĂ€ste baut reiĂt Kerkermauern niederâ. Dieser Spruch befindet sich auf einer Tafel an der ehemaligen KinderĂŒbernahmestelle und spĂ€teren Julius-Tandler-Familienzentrums des Wiener Jugendamts. Als Stadtrat fĂŒr das Gesundheitswesen zeichnete Julius Tandler fĂŒr den Ausbau und eine Reihe von Reformen im Bereich der FĂŒrsorge im sozialdemokratischen Wien der Zwischenkriegszeit verantwortlich. Der Wiener Psychoanalytiker August Aichhorn entwickelte eine neue, psychoanalytische PĂ€dagogik. Durch den Nationalsozialismus wurden diese und anderen Reformbestrebungen in PĂ€dagogik, HeimpĂ€dagogik und Sozialen Arbeit ein jĂ€hes Ende gesetzt.
In der Nachkriegszeit war die Heimerziehung in Wien noch sehr von Disziplinierung und körperlicher Misshandlung geprĂ€gt. Die rechtlichen Grundlagen stammten zum Teil noch aus der NS Zeit. Kinder und Jugendliche wurden von der AuĂenwelt weitgehend ausgeschlossen und besuchten Heimschulen. Erst in der BroschĂŒre âNeue SozialpĂ€dagogik in Heimenâ und spĂ€ter, 1971 durch die GrĂŒndung der Heimkommission wurden hier neue Akzente gesetzt. Anfang der 70er Jahre gab es die ersten koedukativ gefĂŒhrten Gruppen. 1974 wurde schlieĂlich das erste Therapie-Heim eröffnet. 1977 erfolgte die SchlieĂung des Heims im Schloss Wilhelminenberg, wo das zum Teil unfassbare Geschehen der Jahre zuvor nach und nach medial und gerichtlich aufgearbeitet wurde.
In diese Zeit des Wandels fiel mein Berufsbeginn als SozialpÀdagoge. Ich lernte noch die alten, zum Teil gewaltvollen Strukturen kennen, gehörte aber zu jenen engagierten Kollegen, die versuchten, neue und menschlichere Formen der SozialpÀdagogik zu finden. Viele KollegInnen finanzierten in ihrer privaten Zeit psychotherapeutische Ausbildungen, um möglichst professionell in sozialpÀdagogischen Spannungsfeldern zu agieren. Ideen von Alfred Adler, der Psychoanalyse und der Systemischen Familientherapie beeinflussten und verÀnderten sowohl die Sichtweisen als auch die Arbeitsweisen in der SozialpÀdagogik.
1995 startete die Initiative âHeim 2000â, in deren Rahmen weitere GroĂheime geschlossen und durch SozialpĂ€dagogische Wohngemeinschaften ersetzt wurden. Um dem neuen Grundsatz bezĂŒglich der Fremdunterbringung âso kurz wie möglich â so lange wie nötigâ gerecht zu werden, wurden Krisenzentren eröffnet und die Möglichkeit geschaffen Kinder kurzfristig bei Krisenpflegeeltern unterzubringen. Einige Manager im Magistratsbereich und viele KollegInnen an der Basis haben hier wichtige Pionierarbeit geleistet und der Sozialen Arbeit ein menschlicheres Antlitz verliehen. Ihr Einsatz hat es ermöglicht, dass heute in der Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen meist professionelle pĂ€dagogische Arbeit zum Wohle der untergebrachten MinderjĂ€hrigen und ihrer Familien geleistet wird. Ich habe diese Entwicklungen hautnah miterlebt.
© Kurt Fleischner 2019-07-12