Da sie diese Naturbühne haben kann, wann immer sie möchte, zieht sie sich aus der staunenden Menge zurück und lehnt sich an die Rückenlehne, während Musik im Fahrzeug den Moment untermalt. Sie denkt an den jungen Mann im Schwimmbecken, der damals neben ihr die erfrischende Kühle des Badewassers genoss und zeigte, dass er seine Jugendfigur, sowie den neckischen, herausfordernden Blick erhalten hatte, was er beides aufrecht sitzend am Beckenrand im Bewusstsein, dass sie nicht an ihm vorbeisehen konnte, präsentierte, während er sich die schmale Schwimmbrille über der Nase zurechtrückte und sich die tropfende, salzige Nässe von der Stirn wischte, bevor er den Blick in ihre Richtung anhebt.
“Puhhh, siehst Du das auch?”, fragte sie ihre Freundin, die mit dem Rücken zu ihr stand, sich den Massagestrahl auf die rechte Schulter prasseln ließ und der starken Strömung von hinten ohne sich anhalten zu müssen, wie sie selbst es tat, stabil standhielt.
Sie ließ den Beckenrand los und sich vor ihre Brust treiben, während sie fröhlich im Wasser zappelte, wie ein Fisch, der von der Angel wieder zurück ins Nass geworfen wurde. Die Soziologin öffnet die Augen ein wenig, schließt diese aber sofort wieder. “Den da drüben meinst Du?” Sie nickte, aber ließ ihr die guten Aussichten. “Das waren noch Zeiten, als sich junge Liebhaber um meine Figur kümmerten…” Sie schwelgte verträumt in Erinnerungen und kämpft sich gegen den Strom zu ihrer Massagedusche zurück, den Beckenrand entlang festgeklammert.
Das Knie drückte es ihr nach hinten und dies fühlte sich komisch an. Sie ließ ihre Körper-Vorderseite liegend hochtreiben und die Beule am Knie wird zuerst sichtbar. Die Freundin zeigte mit dem Finger darauf. “Das sieht nicht gut aus!” Sie nickte. Doch was wäre die Alternative, als die nächsten Stunden, vielleicht ein paar Tage das Kniegelenk zu schonen und schön gerade zu halten: Sie kann zurzeit kein Krankenhaus von Innen sehen – ihr reichten diese langen 10 Monate in der Anlage, wenn auch in der Verwaltung, erst mal.
“Wie sollte man eine Kniescheibe verarzten?” Sie sah sich in Gedanken mit einem Streckverband über die ganze Beinlänge und zwei Krücken aus der Krankenhaus-Schiebetür humpeln. “Nein, nein. Das erledigt sich von selbst wieder. Es braucht nur Zeit dafür”, beruhigt sie sich mehr selbst, als die Freundin. Außerdem bemerkt sie, dass sie sich von ihrer besten Seite zeigen will, doch hat keine Idee, wo sie da anfangen könnte.
Die Worte ihres Sohnes fallen ihr ein. “Wie recht er doch hat! Da muss was geschehen eiligst! Das ist ein Fall für den Therapeuten!” Immer, wenn sie etwas tun will, weiß, dass sie es tun muss, aber trotzdem nicht macht, dann präsentiert sie ihm dieses Rätsel auf dem Silbertablett. Er hat das Talent, psychosomatische Dinge aufzulösen und Verhinderungen aus ihrem Lebensweg verschwinden zu lassen, als wären sie nie dagewesen, was sie gelegentlich zum Torkeln und Wanken bringt, aber insgesamt alles besser zu machen scheint.
© Daniela Neuwirth 2025-05-15