Wie ich das Loslassen lernte

Jona Armborst

by Jona Armborst

Story

Endlich würde es soweit sein. Seit Jahren in der Top 3 meiner Bucketliste: Eine Wanderung durch den nepalesischen Himalaya. Voller Aufregung, Emtdeckergeist und angespannter Vorfreude blickte ich auf mein bevorstehendes Abenteuer. Und dann durchkreuzte Corona, der Virus der anfangs noch so weit weg schien, auch meine Pläne. Von einem Moment auf den anderen änderten sich die Visumsregelungen- und das 2 Tage vor Abflug. Weder die Airline noch die Botschaft konnte mir die Einreise garantieren. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnte: Das war erst der Auftakt meiner Achterbahnfahrt. Kurz darauf die nächste Hiobsbotschaft: Meiner Wanderpartnerin wurde am Flughafen das Boarding verwehrt. Und mir schmerzlich bewusst: Großstadtamazone mit Wanderaffinität aber ohne jegliche Bergerfahrung trifft auf den höchsten Trekkingpass der Welt. Zwar outdoorbegeistert und mit dem nötigen Durchhaltevermögen ausgestattet (bewiesen auf dem Jakobsweg), aber ohne Bescheinigung auf Höhentauglichkeit oder Survivalkenntnisse. Kurz gefasst: Meine Vorbereitung war unterirdisch. Wider Erwarten und mit einigen Hürden schaffte ich kurz vor 12 noch die Einreise nach Nepal-und war erstmal überfordert. Kathmandu in drei Worten: Voll, stickig, unübersichtlich. Auch hier war Corona nicht mehr wegzudenken. Von Tag zu Tag wurde die Stadt leerer und Gespräche über Reiseabbrüche unter Touristen häuften sich. Ich versuchte mich davon nicht beirren zu lassen; fühlte mich aber dazu hingerissen, mich doch noch einer erfahrenen Wandergruppe anzuschließen. Gemeinsam würden wir in 15 Tagen den Annapurna Circuit, einen der legendärsten Fernwanderwege, bewältigen. Durch Corona war die Gruppengröße von zehn auf zwei zusammengeschrumpft-plus Guide & Porter. Ein leiser Vorbote für die Wanderung selbst, denn i.d.R. waren wir die Einzigen auf dem Pass. Nur selten begegneten uns andere Wanderfreunde und nur wenige Teehäuser waren überhaupt geöffnet. Corona war überall Thema Nr 1. Vorab hatte ich mir zwar Entschleunigung und Besinnung gewünscht, aber dies glich eher einer Wanderung durch Geisterdörfer. Trotz der großen Belastung und Hilflosigkeit – fast das ganze Land lebt vom Bergtourismus-begegneten uns die Menschen mit einer großen Herzlichkeit und Offenheit, die mich bis heute tief beeindruckt. Jeden Tag verliebte ich mich mehr in die Schönheit der Natur und gleichzeitig machte sie mir kräfte-und höhentechnisch zu schaffen. Bis mein Körper reagierte und mich auf über 3300m in die Knie zwang: Verdacht auf Blinddarmentzündung. Alles in mir wehrte sich, aber nach 15 Stunden musste ich akzeptieren, dass diese Reise hier ihr Ende fand. Als ich wenige Stunden später im Helikopter über den nepalesischen Himalaya flog, spürte ich die Tränen auf meiner lächelnden Wange und dachte an das Zitat von Winnie Pooh “How lucky I am to have something that makes saying goodbye so hard.”Und ich ahnte, dass diese Reise noch nicht vorbei war.

© Jona Armborst 2020-04-24

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