by Nina Burian
Jeder steigt einmal ins Fettnapferl. Bei mir artet das Napferl aber manchmal zur Wanne aus. Zum Beispiel an dem Tag, als ich den BundesprÀsidenten beschissen habe.
Es ist mein 3. Arbeitstag in der Buchhandlung Frick. Ich bin nervös, denn dauernd kommen Kunden zu mir und stellen komische Fragen:
‘Wo sind die KinderbĂŒcher?’ – Hinten rechts, bitte!
‘Ich möcht den Alchemist vom Tschello.’ – Schon etwas kniffliger, aber da ich das Buch inhaliert habe, erkenne ich sofort, was der Kunde möchte. Einen Coelho, bitte sehr.
‘Ich such ein Buch, ich weiĂ nicht mehr von wem, oder wies heiĂt, aber es ist blau!’ Ich setze mein Detektivkapperl auf. Mit Nachfragen ist das RĂ€tsel bald gelöst und ich ĂŒberreiche ‘Alle 7 Wellen’ von Glattauer.
Anscheinend schlage ich mich ganz gut, denn ich darf das erste Mal kassieren. Als ich gerade hinter die Budel gehe, tritt die Art von Schweigen ein, die aufkommt, wenn jemand besonderes im GeschĂ€ft ist. Ich schaue auf und falle in warme Augen, ĂŒberdacht von kuscheligen HaarbĂŒscheln. Es ist unser BundesprĂ€sident, Heinz Fischer. Er lĂ€chelt, die Brauen hĂŒpfen vergnĂŒgt auf und ab. “Sind Sie die Kassa?” Normalerweise eine Frage, die jeder VerkĂ€ufer hasst. Nein ich BIN nicht die Kassa, aber Sie dĂŒrfen bei mir bezahlen. NatĂŒrlich klĂ€re ich ihn nicht ĂŒber diesen Fauxpas auf, sondern nehme aufgeregt sein Buch entgegen. Ein TĂŒrkei-ReisefĂŒhrer von Baedeker. Was nun? Siedend heiĂ fĂ€llt mir auf, dass ich keine Ahnung hab, wie man die Kassa bedient. Keinen. Blassen. Dunst. Ich wende das Buch und möchte den Barcode scannen. ScheiĂe.
Im Baedeker FĂŒhrer gibt es hinten eine Tasche mit Landkarte. Und die hat ebenfalls einen Barcode. Was soll ich nun scannen? Meine HĂ€nde werden feucht. Weil ich nicht weiĂ, was ich sonst tun soll, scanne ich panikerfĂŒllt einfach beide Barcodes. “56 ⏠bitte.” Ich hab es geschafft! Ich bin ein Kassanaturtalent! Meine innere Nina macht FreudentĂ€nze und stolpert ĂŒber ihre FĂŒĂe, als Herr Fischer die Stirn runzelt: “Junge Frau, ich glaube nicht, dass das Buch 56 ⏠kostet.”
Ach du ScheiĂe. Nina, du hast grad den BundesprĂ€sidenten beschissen! Ich werde knallrot und schaue betroffen zu Boden. Ein Szenario geistert mir durch den Kopf: Heinz Fischer, zeigt anklagend mit dem Finger auf mich und verkĂŒndet schnaubend: “Hierher gehe ich NIE WIEDER!”. Da taucht ein rettender Engel in Form meines Kollegen Klemens auf. Er springt an meine Seite, drĂŒckt gekonnt irgendwelche Knöpfe an der Kassa und schon stimmt der Betrag. Als Klemens die BĂŒcher in einem Sackerl verstaut, lĂ€chelt mich Heinz an und reicht mir seine Kreditkarte. “Na FrĂ€ulein, möchten Sie’s noch einmal versuchen?”
Erleichterung durchströmt mich. Die wackelnden Augenbrauen und der schelmische Blick können einfach nicht lĂŒgen. Heinz Fischer ist mir nicht böse! Als ich gerade die Karte ins LesegerĂ€t stecken will stĂŒrmt Norbert die Treppe hoch. “Bitte, einen Moment, darf ich ein Foto machen?”. “Sehr gerne!” sagt Heinz, die Nummer Einz meines Herzens.
© Nina Burian 2020-07-07