WIE ICH MIT TARANTINO EINEN MISTKERL …

Fritz Schuler

by Fritz Schuler

Story

“Wenn ich ihn schon nicht töten konnte, dann wollte ich ihn wenigstens vergessen. Das aber ging nun auch nicht…” Dann geriet ich ins Stocken und Grübeln. Gedanken und Erinnerungen hatten mich gekidnappt und fortgerissen vom Hier und Jetzt, dass ich nichts um mich herum bemerkte, bis mich ein Mann antippte. “Hey, ich hab Sie was gefragt!”

“Was!? – Was denn?!”

“Ist bei Ihnen noch Platz frei?”

“Ach so, ja natürlich. Bitte.”

“Was schreiben Sie da?”

Groß schaute ich ihn an. Was ging ihn das an?!

“Ich mag kreative Menschen. Sie können ganz neue Welten erschaffen”, sagte er.

“Neue Welten …” hallte es in mir nach und sah ihn dabei immer noch unschlüssig an, was ich auf seine Frage antworten sollte.

“Also, wollen Sie mir das nun verraten?”

“Warum sollte ich?”

“Einfach so. Weil ich Sie sympathisch finde.”

“Sympathisch…?”

“Wollen Sie oder nicht?”

“Ach so, ja natürlich kein Problem”, antwortete ich. Aber eigentlich wollte ich gar nichts verraten.

Er war Tourist, höchstwahrscheinlich aus Amerika seinem Dialekt nach zu schließen, der hier in Wien gelandet war. Aus welchen Gründen auch immer. Draußen war es nass und kalt. Und die Leute hatten sich ins Kaffeehaus geflüchtet.

“Legen Sie los! Ich höre!”

Wer war der Mann? Was wollte er? Warum konnte er mich nicht in Ruhe lassen? Er ließ sich nicht einfach so abspeisen. Er war unangenehm penetrant. – Unwillig wiederholte ich die erste Zeile aus meinem Schreibheft laut.

“Klingt gut. – Macht mich gleich an“, sagte er. “Und … wie weiter?”

“Weiß ich nicht.”

“Soll das ein Gedicht werden…oder was?”

“Nein, kein Gedicht. Ein Roman!”

“Ein Roman?”

“Ja, ein Roman.”

“Eine lange Geschichte?”

“…beginnt mit dem ersten Satz!”

“Klingt für mich, wie eine Zombiegeschichte. Zombies kann man ja nicht mehr töten. Die sind schon tot. Aber warum kann der Erzähler ihn nicht vergessen? Und vor allem, warum will er ihn töten und vergessen?”

“Typisch amerikanisch…”, platzte es aus mir heraus und ärgerte mich gleich danach über meine eigene Aussage, die so klischeehaft war.

“Wieso amerikanisch“, fragte er. “Wegen meiner… Zombiegeschichte?”

Ich errötete und lachte nur, weil ich mich ertappt fühlte.

Mittlerweile hatte er auf der gepolsterten Bank mir gegenüber Platz genommen und sah mich fragend an. Eine Pause entstand – gefühlt eine Minute Schweigen zwischen uns, das im Kaffeehauslärm unterging.

Ach was, lassen wir das, dachte ich. „Ich kenne nicht einmal Ihren Namen! Warum sollte ich…“

“Hey Junge, da muss was raus. Das sehe ich an Ihrer Nasenspitze.”

“Was meinen Sie mit: da muss was raus?”

“Ihre Geschichte, mein Junge, die drängt nach außen mit einem Druck. Puuhhh! Und trotzdem geht es nicht so leicht. Habe ich recht? Sie sitzen wie ein Bauer auf einer Leibschüssel…mit Verstopfung.” Dabei lachte er, wahrscheinlich über sein eigenes Kopf-Kino.

“Keine Ahnung, wie Sie heißen”, sagte ich, “aber Ihr Lachen klingt verdammt dreckig.”

“Freut mich. – Quentin…Quentin Tarantino,“ dabei streckte er mir seine Hand entgegen.

–> Für Fortsetzung siehe (2)



































© Fritz Schuler 2023-01-10