Wie peinlich!

Ulrike Sammer

by Ulrike Sammer

Story

Die Neidhart-Fresken (Wien 1, Tuchlauben 19) entstanden um 1407 und stellen ein einzigartiges Kunstwerk dar. Sie schmückten einst den privaten Tanzsaal des wohlhabenden Tuchhändlers Michel Menschein und wurden 1979 im Zuge eines Wohnungsumbaus entdeckt und freigelegt. 2003 erfolgte eine umfassende Restaurierung. Die dargestellten Szenen basieren auf Liedern des Minnesängers Neidhart von Reuenthal (um 1180–1240). Ein Grabmal findet sich an der Südseite des Stephansdomes in Wien. Auf einem sarkophagartigen Unterbau ruht eine unvollständige Liegefigur aus Sandstein, die einen Mann mit hoher Mütze darstellt. Sie gilt als Grabstätte Neidharts. Seine Geschichten wurden jahrhundertelang weitererzählt: Die Fresken in der Beletage des Wiener Bürgerhauses sind ein farbenprächtiges Zeugnis für diese lebendige Überlieferung der vier Jahreszeiten. Der Auftraggeber Michel Menschein wollte mit der Ausgestaltung seines Tanzsaales offenbar die Natur in die eigenen vier Wände holen. Dargestellt werden verschiedene Vergnügungen und Spiele im Jahreskreis, wobei die groben Lustbarkeiten der Bauern jenen der adeligen höfischen Jugend gegenübergestellt werden.

Neidhart von Reuenthal, war einer der populärsten Minnesänger. Er entstammte dem bayerischen Kleinadel und verfasste nach eigener Angabe 114 Lieder. Sie schildern überwiegend die Streiche, die Neidhart (als Angehöriger des verarmenden Kleinadels) und die reichen (den Adel imitierenden) Bauern einander spielten. Neidhart blieb als eine Art österreichischer Till Eulenspiegel eine Symbolfigur. Der Wiener Händler Michel Menschein ließ den Festsaal seines Hauses mit Szenen aus den bekanntesten Neidhart-Schwänken ausmalen.

Der Neidhartstoff wurde in Spielen, in zahlreichen Holzschnitten, Fresken und Reliefs tradiert. Von vielen Neidhartliedern sind auch die Noten überliefert. Sie gewähren Einblicke in die mittelalterliche Ständegesellschaft. Anhand der Schwänke können Wissenschaftler der Frage nachgehen, worüber man im Spätmittelalter gelacht hat.

Die ältesten erhaltenen profanen Wandmalereien in Wien, die Neidhartfresken, befinden sich in einem Gebäude aus dem 14. Jahrhundert. Sie zeigen Szenen aus dem Leben und den Dichtungen des Wiener Minnesängers Neidhart von Reuental, sowie ein Frühlingsfest und einen Reigen mit Festmahl. Eine betrifft die mittlerweile sehr bekannte Geschichte, in der ein Ritter einem adeligen Fräulein als besondere Gabe das erste Veilchen in jenem Frühling zeigen möchte. Er markierte die Stelle mit seinem Hut und eilte ins Schloss. Währenddessen kam ein boshafter Bauer, hob den Hut, riss das Veilchen aus und setzte an dessen Stelle einen „Kothaufen“. Die Blamage und das Entsetzen kann man sich vorstellen, als das edle Fräulein den Hut lüftete.


© Ulrike Sammer 2025-07-02

Genres
Humor & Satire
Moods
Komisch