Wie sich Wohlfühlen anfühlen könnte

Klaus Hager

by Klaus Hager

Story

Ich hatte gezögert, als Jonas mich fragte, ob ich mit an die Alte Donau will. Nicht wegen der Sonne oder dem Wasser – sondern wegen all dem Dazwischen. Wegen mir. Oder dem, was ich über mich denke, sobald es um Haut und Sichtbarkeit geht. Ich hatte ja gesagt, obwohl ich innerlich längst abgesagt hatte. Vielleicht, weil ich nicht noch einmal ausweichen wollte. Vielleicht, weil Jonas nicht fragte, ob ich will – sondern ob ich’s brauche.

Der Weg war vertraut, der Tag warm, alles stimmte. Nur in mir war etwas eng. Ich sprach zu viel, über Belangloses. Jonas hörte zu, kommentierte kaum. Ich spürte, dass er mich durchschaute. Dass sein Schweigen nichts mit Gleichgültigkeit zu tun hatte, sondern mit Fürsorge.

Am Wasser zog ich mein Shirt aus. Nicht hastig, nicht langsam. Ich versuchte, die Bewegung beiläufig wirken zu lassen. Als wäre es nichts. Aber es war alles. Ich sah kurz an mir herunter – und spürte dieses alte Urteil wieder: zu weich, zu viel, zu falsch. Ich setzte mich. Jonas neben mir. Er schaute nicht hin. Und trotzdem fühlte ich mich gesehen. Nicht bewertet. Nicht korrigiert. Sondern gehalten.

Ich beobachtete die anderen. Menschen, die sich einfach bewegten. Ohne Entschuldigung. Ich wollte das auch können. Einfach sein. In meinem Körper. Ohne Widerstand.

Dann sagte Jonas: „Wenn du nicht reingehst, verpasst du, wie gut sich Wasser auf der Haut anfühlt.“ Ein Satz, leise, fast unscheinbar. Und doch war er wie ein Lichtschalter. Kein Appell. Keine Aufforderung. Nur eine Tür, die sich öffnete.

Ich ging los. Langsam. Jeder Schritt war ein kleines Nein, das zu einem Vielleicht wurde. Als das Wasser meine Haut berührte, hielt ich die Luft an. Nicht aus Angst – aus Staunen. Es war kühl, ehrlich, urteilsfrei. Ich ließ mich sinken. Und für einen Moment war ich nicht zu viel, nicht zu wenig. Ich war nur. Getragen.

Zurück in der Sonne sagte ich leise: „Ich glaub… mein Körper ist vielleicht doch nicht mein Feind. Vielleicht war ich’s selbst die ganze Zeit.“
Und genau in dem Moment fühlte sich dieser Gedanke nicht schwer an. Sondern neu.


© Klaus Hager 2025-07-22

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