Wieder fliegen

Neulich habe ich diesen Spruch gelesen:

“Zimmerventilatoren sind eigentlich Hubschrauber, die irgendwann ihre Träume aufgegeben und sich einen kleinen Bürojob gesucht haben.”

Dieser Spruch bringt mich jedes Mal zum Lächeln und stimmt mich kurz darauf sehr nachdenklich. Ich mag die Message. Und eines weiß ich dann genau: Ich möchte kein Zimmerventilator mehr sein. Nie mehr. Echt nicht. War ich schon. In verschiedenen Büros stand ich rum. Einmal wurde ich sogar schon befördert. Dort hing ich dann stolz an der Decke, immer einen Hauch vom Fliegen im Blick, aber doch noch fest verankert. Dann wechselte ich meinen Besitzer erneut und wurde woanders montiert. Da hab ich das abgeleistet, wozu ich angeschafft wurde. Ich konnte das. Die Menschen mochten mich. Und es war ok für mich. Da stand oder hing ich tagein, tagaus und drehte mich unaufhörlich um mich selbst. Abgesichert.

Nur nach einer gewissen Zeit tauchte immer wieder dieser Wunsch in mir auf: Frei sein. Eine Zeit lang übertönten meine Geräusche den Wunsch. Aber irgendwann wurde dieser stets zu laut. Wieder fliegen. Wie früher. Tun, wofür ich eigentlich bestimmt bin. Keine Bürodecke über mir sehen. Keine Schreibtische um mich herum. Ein Helikopter unter freiem Himmel sein.

Andere Ventilatoren warnten mich: Das ist unvernünftig. Kindische Träumereien. Wieder fliegen ist gefährlich, schrien sie durcheinander. Bleib lieber hier. Hier weißt du ganz genau, was zu tun ist.

Aber ich hörte nicht auf sie. Nach ewigem Hadern und Abwägen ließ ich mich eines Tages abmontieren. Ohne Vorankündigung. Fast kam die Entscheidung für mich selbst überraschend. Nur: seitdem fliege ich wieder. Die Welt gefällt mir viel besser von hier oben. Ja, manchmal kommt ein Windstoß oder ein überraschendes Unwetter. Dann denke ich an die Warnungen der anderen. Aber die kurzen Momente der Angst lohnen sich. Denn jedes Mal, wenn die Sonne durch die Wolken bricht, jedes Mal, wenn ich andere Helikopter neben mir am Himmel sehe, bin ich wahnsinnig glücklich. Dann weiß ich, dass die Entscheidung richtig war. Es gibt Momente im Leben, da muss man auf Risiko gehen, um der Veränderung eine Chance zu geben.

Und manchmal, da segle ich über so manch hohes, gläsernes Bürogebäude hinweg. Dann denke ich immer an die zurück, die nicht den Mut hatten zu fliegen. Ich hoffe, dass sie in ihrer gewählten Sicherheit auch das Glück finden, das ich heute spüre.

Eines Tages habe ich unerwartet einen neuen Heimatflughafen gefunden. Ich bekam das Angebot, mich unterzustellen. Nach wenigen Tagen habe ich festgestellt, dass meine Propeller als Flügel angesehen werden. Und anstatt dass diese gestutzt werden, werden sie gepflegt und aufpoliert. Ich muss nicht mehr klein sein. Ich darf wachsen.

Heute habe ich Freiheit und Sicherheit in Einem. Das wünsche ich all meinen Mit-Ventilatoren da draußen auch. Ist das nicht das Beste? Als Ventilator zur Stelle sein, wenn du willst. Aber jederzeit als Hubschrauber durchzustarten.