WIEN, WIEN, NUR DU ALLEIN

Margaretha Husek

by Margaretha Husek

Story

Das Wien der 70-er Jahre hat mich geprägt. Die inneren Bezirke meiner Jugendzeit waren grau in grau, staubig und dreckig. Krieg ein Tabu, die Menschen depressiv, viele Suchtkranke, die alle einen Psychologen gebraucht hätten. Dann langsam die stetigen Verbesserungen, Renovierungen der Altbauten, Feste, Bars & Lokale mit Nachleben, zahlreiche Events und Konzerte, Donauinselfest und und und … Schön, diesen Abschnitt überlebt, gelebt und mehr und mehr geliebt zu haben.

Jetzt gerade kommt wieder eine Phase, wo vieles wieder hässlicher und schlechter wird. Ich kenne Wien, weniger die schicken Plätze, mehr die dunklen Winkel im Innenbezirk und die Grätzel in den ausgefransten Randbezirken. In manchen Gegenden fühlt man sich wie am Land, aber ohne die Nachteile vom Land.

Ich mag die Menschen, weniger die Eleganten, mehr die Randständigen. Dass ich die Gedanken anderer manchmal ahne, aber nicht lesen kann, hat die Natur gut eingerichtet.

Wien wird nie langweilig und überrascht immer wieder, nicht nur positiv, aber maßgeblich. Manchmal verrät der hohe Hut oder die aufwändig toupierte Hochsteckfrisur das Jahrzehnt. Am meisten imponiert mir, dass man immer so schräge Gestalten sehen kann und sich selber als total normal vorkommt, auch wenn man es nicht ist, aber eben in der Stadt nicht auffällt und keiner dich das spüren lässt.

Wien ist interessant, weil es die großstädtischste Provinz ist, die man auf dem Planeten Erde wohl finden kann. Wien ist eine Stadt, aber schon zu lange ohne Weltreich, mit glorreicher Vergangenheit und ohne jede Zukunft, unbedeutend, aber sich immer noch selbst überschätzend. Die Hauptstadt war und ist immer noch ein Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen und Völker seit hunderten Jahren und immer noch nach dem Schlüssel für ein respektvolles Zusammenleben suchend. Der Wiener Grant, morbide und immer leicht aggressiv feindselig, ist allenfalls ein kleines Minus und selbst den kann man überwiegend mit Humor nehmen. Die Sprüche auf den Mistkübeln und die Werbung der Wiener Linien sorgen immer wieder für ein Schmunzeln.

Links? Rechts? Wer jetzt? Wie jetzt? Das Ausweichen auf den Gehsteigen bringt immer wieder ein gegenseitiges Lächeln, wenn sich die Wege kreuzen und man mit dem Gegenüber von einem Bein auf das andere steigt und keiner weiß auf welcher Seite man jetzt vorbeigehen soll.

Jeden Frühling, wenn ich die Sonne zum ersten Mal bewusst auf der Haut spüre, überkommt mich die übergroße Sehnsucht wieder im Schönbrunner Schlosspark zu flanieren. Das nasale Schönbrunner Deutsch, das ich noch in den 70-er Jahren im Park hörte, ist längst ausgestorben. Die Sprachen sind jetzt vielfältiger.

Übrigens Wien hat den schönsten Friedhof der Welt. Sogar der berühmteste Kärntner Udo Jürgens hat sich in Wien zur letzten Ruhe hingelegt.

Foto: pixabay

© Margaretha Husek 2023-04-02

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