by Yaso eyc
Mein Eindruck über die Menschen in meiner Nähe sieht so aus: Ich laufe nur sehr selten Leuten über den Weg, besonders wenn ich in unserem Stadtzentrum spazieren gehe oder dort etwas zu erledigen hab, die gechillt auf kleine Alltagsmissverständnisse im Bus oder im Café oder in der Schlange in der Bäckerei reagieren. Die meisten Leute, meistens ältere oder diejenigen, die so über vierzig sind, sind gleich kampfbereit, bereit anzugreifen, bereit sich zu verteidigen und den anderen in Grund und Boden versinken zu lassen, weil ja nur sie recht haben und nur sie die Situation richtig eingeschätzt haben und der gegenüber, es verdient hat, so schlecht behandelt zu werden. Man ist sofort bereit den Mund aufzumachen und auf Konfrontationskurs zu gehen, anstatt ruhig zu handeln. Erst einmal nachzudenken und dann etwas zu erwidern, dass jemand auf diese Weise reagiert, habe ich nur selten miterlebt, in dieser Stadt, in der ich schon mein ganzes Leben lang gelebt habe. Man ist auch eher bereit einander zu beleidigen, als höflich den Fehler des anderen oder der anderen, oder von einem selbst, zu akzeptieren und freundlich etwas zu erwidern, damit die Situation nicht hässlich wird oder gar eskaliert. Dieses negative Verhalten, dieses äußerst gewissenlose Aufeinander-Reagieren und Einander-Wahrnehmen, lässt mir graue Wolken über den Kopf erscheinen, die nicht weggehen wollen. So viel Gewaltbereitschaft und unterschwelliger Hass, der unterdrückt wird und in so flüchtigen Diskussionssituationen zum Vorschein kommt, lässt einen schon ein dunkles Bild über die Zukunft zeichnen. Wieso ist es so schwer ruhiger auf jemanden zu reagieren, den man nicht kennt, der aber genau so jemand ist wie du selbst? Woher kommt dieser Hass? Wer oder was hat dazu geführt, dass wir ihn viel eher zeigen können, als Verständnis und Empathie? Ist man wirklich so sehr in diesem System des ich-habe-einen-Feind-vor-mir gefangen, wie ein Häftling, der hoffnungslos an den Tag seiner Freilassung denkt und sich jeden Tag mithilfe von Rachegedanken am Leben hält? Ein großer Gedanke, den ich in dieser ärgerlichen Angelegenheit nicht loswerde, ist, dass der radikale Medienkonsum, auf den man jederzeit zurückgreifen kann, damit zu tun hat. In unserer modernen Welt, in der alles Zickzack gehen kann und sollte, in der jede*r die Möglichkeit hat jedes Wissen alles zu erreichen, was man möchte, muss man doch gar nicht nett zueinander sein? Wieso den*die unbekannte*n Gegenüber denn respektvoll behandeln? Ist doch nur für einen Moment, dieses kurze Zusammentreffen. Danach wird man die Person wahrscheinlich nie wieder sehen, nie mit ihr irgendetwas zu tun haben oder die Gelegenheit dafür bekommen, über das Missverständnis zu reden! Wieso sich also gewissenhaft präsentieren, wenn vor dir nur jemand steht, der in deinen Augen niemand ist. Ein Niemand, der dir nichts bringt, von dem du nichts gewinnen und nichts bekommen wirst. So wertlos ist unser Miteinander mittlerweile in unserer Wahrnehmung geworden. Hat keinen Nutzen für dich? Dann ist er* sie ein niemand.
© Yaso eyc 2025-04-12