Wir gehen auf die Alm!

Christian H. Moser

by Christian H. Moser

Story

„Bumm“, nun war es raus! Gerade hatte meine Frau unseren vier Kindern mitgeteilt, dass sie über den Sommer auf die Alm geht. Wie meint sie das wohl?, werden sich die Kinder gedacht haben. Ein paar Tage, vielleicht eine Woche, sie wird doch nicht den ganzen Sommer… Oh Schreck, die Mama meint es ernst, die geht – und das meint sie total ernst – den ganzen Sommer, vier Monate, auf die Alm und melkt dort Kühe. Sie hat auch schon eine Alm in Aussicht!

Nach einigem Hin und Her hatten es alle vier verstanden. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen, doch unser jüngster Sohn Jakob war voll dabei. Bei den beiden Älteren, Lukas und Eva, wollte noch nicht so recht Freude aufkommen. Das klingt in der Schule gar nicht cool, wenn man erzählt, dass die Mama auf einer Alm Kühe melkt.

Unser Dritter, Simon, streikte vorerst total und erklärte Mama, dass ihn die Alm und das Kühe-Melken gar nicht interessieren. Im weiteren Verhandlungs- oder besser gesagt Überzeugungsgespräch stellte sich dann heraus, dass Simon nur dann mit auf die Alm geht, wenn wir eine Lösung für seine Hasenzucht finden würden.

Simon nimmt die Betreuung und Fütterung seiner Hasen sehr ernst. So war es dann auch wichtig, dass die Tiere über den Sommer ordentlich von unserer Tochter und meinem Vater versorgt wurden.

Schon oft hatten wir über dieses Almprojekt gesprochen. Endlich gab es nun die Entscheidung, welche ich voll unterstützte. Nicht immer nur davon reden, sondern es auch „durchziehen“. Das fühlte sich nach 16 Jahren Familiengründung gut an.

Als Titel für dieses Abenteuer kristallisierte sich im Laufe der Zeit „Familienlebensprojekt Almsommer“ heraus. Der ursprüngliche Hintergrundgedanke meiner Frau für diesen Schritt war, dass sie unseren vier gemeinsamen Kindern noch etwas mit auf ihren Lebensweg geben wollte.

Die heutige Zeit stellt große Anforderungen an die Kindererziehung. Alles soll leicht gehen, Chillen ist der neue Trend, und trotzdem müssen die Kinder lernen, mit Druck umzugehen, den es in unserer Zeit noch nicht gab.

Unterhaltung findet nicht mehr mit „Hoagaschtn“ (miteinander sprechen) statt, sondern über WhatsApp, Snapchat, Instagram und andere Kanäle. Es wird viel kommuniziert, geredet wird aber immer weniger. Kommunikation erscheint ganz einfach zu sein. Foto oder Kurzmeldung mit Emoji posten, und der Tag, wenn nicht schon die Welt, ist gerettet!

Nicht nur für unsere Kinder war diese Entscheidung ein kleiner Schock. Im Dorf gab es dann auch schon die ersten Diskussionen. So besuchte eine Freundin mit einem Blumenstrauß in der Hand meine Frau im Glauben, sie wäre krank. Noch heute müssen wir über diese Geste herzhaft lachen. Sie zeigt einem, wie Dinge interpretiert werden. Sie zeigt aber auch, dass es Menschen nicht egal ist, wie es einem geht. Sie fragen mal nach, ob alles in Ordnung ist.

© Christian H. Moser 2020-08-17

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