Ich war nie der Mensch, der seine Stimme für die Feministen erhoben hat. Nie der Mensch, der sich in den Vordergrund gestellt hat. Ich habe den Fehler gemacht und mich zum Schweigen bringen lassen. Doch nun muss ich meine Stimme erheben, weil ich genug habe. Ich habe genug Erfahrungen machen müssen, die dazu führen, dass ich mein Schweigen breche. Welcher Mensch hat das Recht meine Grenzen zu bestimmen und zu setzen? Welcher Mensch hat das Recht mich zum Schweigen zu bringen und mir die Schuld zugeben? Welcher Mensch hat das Recht über meine Klamotten und mein Aussehen zu urteilen?KEINER! Mir kommt ein Mann zu nah und ich suche den Fehler bei mir. Vielleicht war ich zu freizügig angezogen oder zu stark geschminkt, vielleicht hätte ich nicht lächeln sollen. All das sind Gedanken, die mir durch den Kopf gehen, die mir sagen “Ich bin schuld”. Doch ich muss mich nicht für meine Kleidung rechtfertigen und erst recht nicht belästigen lassen, denn es ist keine Einladung dazu mich anzufassen oder mir hinterher zu pfeifen. Kein Mensch hat das Recht meine persönlichen Grenzen zu überschreiten und wo Grenzüberschreitungen stattfinden, bestimme ich alleine. Wo ist der Respekt hin? Ich meine, ich dränge einen Mann nicht dazu mich zu küssen oder halte ihn am Arm fest, wenn er flüchten will. Wenn ich einen Mann von mir weg schubse, dann meine ich es auch so. Doch anscheinend sehen Männer das Schubsen als Herausforderung und sie sind in ihrer Ehre gekränkt, wenn die Frau sich nicht so verhält, wie er es gerne hätte. Wenn sie nicht ihre Beine für ihn öffnet, wenn sie sich nicht die Zunge von ihm in den Hals stecken lässt, wenn sie seine Annäherungsversuche nicht erwidert. Doch mit welchem Recht stellt er seinen Willen über den der Frau? Wenn man sich als Frau wehrt, muss man höllisch aufpassen, dass man nicht als Täter abgestempelt wird. Denn eine Backpfeife oder einen Tritt in den Schritt kann man nachweisen. Denn körperliche Gewalt sieht man. Wenn mich jemand küsst, anfasst oder auf andere Art und Weise zu nahe kommt, kann ich es nicht beweisen. Ich kann die psychischen Verletzungen nicht zeigen denn sie hinterlassen ihre Spuren auf der Seele. „Warum hast du in der Situation nicht reagiert? Was hattest du an? Das ist eine alltägliche Situation. Warum kommst du erst jetzt?“ All das sind Aussagen, die ich mir von dem Rechtssystem anhören durfte. All die Fragen geben mir das Gefühl, doch Schuld zu sein. Sie haben mich zum Schweigen gebracht, dabei sollten doch die Täter zum Schweigen gebracht werden. Es sollte kein alltägliches Erleben einer Frau sein, das ihre Grenzen überschritten werden. Eine Frau sollte sich sicher fühlen können, wenn sie rausgeht. Und deshalb erhebe ich meine Stimme und sage “Es ist nicht meine Schuld!”. Meine Grenzen dürfen von niemandem überschritten werden, denn wenn ich Nein sage, meine ich auch Nein! Egal, was ich trage und egal wie ich aussehe kein Mensch hat das Recht, das als Rechtfertigung zu nehmen, um mir zu nah zu kommen. Ich bin nicht schuld, auch wenn ich oft das Gefühl habe es zu sein. Auch wenn ich denke, dass es an mir liegt, dass Männer meine Grenzen überschreiten und mich versucht haben zu Dingen zu drängen, die ich nicht wollte. Wir Frauen haben es verdient sicher auf Partys, nach draußen oder in die Stadt zu gehen. Wir haben es verdient in einer Welt zu leben, wo die Machtverteilung zwischen Mann und Frau im Gleichgewicht ist.
© Laura Mazllami 2024-01-02