Wort-Spiele

Sonja M. Winkler

by Sonja M. Winkler

Story

Selig, die unter Verfolgung leiden … Sie drängen sich mir auf und lassen sich nicht abschütteln, weil ich ihnen dauernd begegne, vor allem in Druckerzeugnissen. Ich glaube, ich muss ein wenig ausholen, damit klar wird, was ich meine. Es hat mit meinem Pseudonym zu tun.

Eigentlich ist es eine Marotte, aber jeder hat schließlich eine liebenswerte Macke. Meine fing recht harmlos an. Sie beschränkte sich zunächst auf die Betreffzeile meiner Emails. Wenn ich z. B. an meinen Sohn schrieb, dessen Initialen D. W. sind, dann wählte ich, passend zur Tagesverfassung oder zum Thema, ein Kompositum, ein zusammengesetztes Hauptwort, dessen Bestandteile mit D und W beginnen, also See-Wiesen an Dürr-Wien schrieb ich dann, wobei sich hier eine große Wert-Schätzung verbirgt, denn mein Sohn ist im Gegensatz zu mir beschlagen in Geografie und Ortsnamen. Er revanchierte sich z. B. mit Dienst-Wagen an Staub-Wolke.

Je nach Empfänger musste ich mich schon ein wenig anstrengen. Viele hatten Spaß an diesem Wort-Spiel, konterten gewitzt und überboten sich an Esprit. So wurde aus Schön-Wetter, Schleich-Werbung und sparkling wine eine Wortfetischistin. Zu jedem Namen aus meinem Freundeskreis fielen mir Wörter ein.

Zugegeben, nicht alle goutierten meine kreativen Betreffzeilen. Obwohl ich es mir zur Regel machte, Wörter, die negativ konnotiert werden könnten, zu meiden, geschah es einmal, dass ich ins Fettnäpfchen trat. Ich erinnere mich an einen kurzen Mailaustausch mit einer Bekannten namens Maria, die bei der Schuldnerberatung arbeitete. Einmal schrieb ich: Stoff-Wechsel an Mammo-Grafie. Ich hatte mir nichts dabei gedacht, aber als ein Mail zurückkam mit der Anschuldigung, ich hätte sie zutiefst verletzt, denn ihre Mutter sei an Brustkrebs gestorben, war ich ziemlich baff. Dann ließ ich sie sein, meine kreativen Betreffzeilen.

Meine Marotte machte aber dennoch Schule. Was macht man in einer Englisch- oder Deutschstunde, wenn man mit dem Stoff durch ist, aber noch fünf Minuten hat bis zum Läuten? Das Initialenspiel bietet sich an. Meine Schüler waren ziemlich auf Zack und recht einfallsreich. Siegi Ruihs zeigte auf und sagte: Schoko-Riegel. Kathrin Fischer: Kraut-Fleckerl. Und so kam es, dass ich eine Woche lang eine Handvoll Schüler bei ihrem Pseudonym nannte. Es machte ihnen Spaß. Für mich war’s Gedächtnistraining. Also auch ein positiver Nebeneffekt.

Ich wählte Speedwell als Pseudonym für story.one, ohne lange nachzudenken. Violet Speedwell ist der Name der Protagonistin des Romans „A Single Thread“, den ich gerade las, als ich mich einloggte. It‘s as simple as that. Erst später googelte ich und erfuhr, Speedwell ist nicht nur der Name einer Pflanze mit blau-lila Blüten, sondern auch der eines Segelschiffs, das 1577 vom Stapel lief. Ahoi!

Foto by Barbara Kawalec on unsplash

© Sonja M. Winkler 2020-05-31

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