You don´t miss me at all

Alina Fisch

by Alina Fisch

Story

Zu realisieren, dass eine Freundschaft nicht so ist, wie sie eigentlich sein sollte, ist eine Sache. Es ist aber eine komplett andere Sache zu entscheiden, was man dann tun sollte. Entweder sie aufzugeben oder so weiterzumachen wie bisher, in der Hoffnung sie möglicherweise retten zu können. Aber man kann noch so viel Mühe in einen Rettungsversuch stecken, doch letztendlich kann ein Einzelner nicht eine Freundschaft aufrechterhalten. Denn zu einer Freundschaft gehören immer zwei. Und wenn der andere nicht mindestens genauso sehr an einer Änderung interessiert ist, werden jegliche Bemühungen vergeblich sein. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem man zur ersten Möglichkeit zurückkommt und erkennt, dass man den anderen aus seinem Leben streichen muss.

Ich würde gerne sagen, dass ich bei dieser Entscheidung lange überlegt hätte, doch das wäre gelogen. Letztlich fiel mir die Entscheidung leicht, denn wenn ich an mein Leben und meine Zukunft dachte, war diese Vorstellung ohne sie nicht undenkbar. Vanessa war jemand, der mir eigentlich fremd war. Sie war jemand, mit dem man sich mal kurz irgendwo unterhielt, doch sie hielt nicht mehr den Platz in meinem Herzen, den sie einst gehalten hatte. Das zeigte mir, dass sie kein Teil war, auf den ich nicht verzichten könnte, sondern lediglich ein Abschnitt meiner Reise, der eigentlich bereits sein Ende erreicht hatte. Nun war der Moment gekommen, an dem ich in die Zukunft blicken und mit dem abschließen musste, was mich zurückhielt. Das war letztendlich auch, was ich tat. Ich rief sie nicht an, ich schrieb ihr keine Nachrichten und ich sprach sie nicht mehr grundlos an. Und da bemerkte ich erstmals, dass sie es auch nicht tat oder je getan hatte. Für sie war diese Freundschaft nicht das, was sie für mich war. Sie bestritt ihren Alltag, als hätte nicht plötzlich ihre älteste Freundschaft geendet. Als wäre ich nicht plötzlich aus ihrem Leben getreten. Es war ihr schlichtweg egal. Ich war ihr schlichtweg egal. Und das war es vermutlich, was mich tiefer verletzte als der Verlust unserer langjährigen Freundschaft. Es ist irgendwie ironisch, wie schnell und problemlos sie es einfach hinnimmt, während ich so lange gebraucht hatte, um mich davon zu lösen. Denn trotz allem werde ich immer in Erinnerung halten, was wir einst hatten, auch wenn es scheint, als hätte sie vergessen, dass ich je in ihrem Leben war. Doch ich werde sie mir stets im Kopf behalten, da sie mir gezeigt hatte, was Freundschaft nicht sein sollte. Vermutlich sollte ich wütend, empört oder traurig sein, doch ich war keines davon, sondern empfand nur innere Ruhe. Denn ich hatte nichts verloren, was nicht bereits verloren war, sondern wurde lediglich darin bestärkt, dass meine Entscheidung richtig war. Ebenso wie der neue Weg, den ich nun einschlug. Sie mag mich nicht vermissen, aber um ehrlich zu sein, vermisste ich sie auch nicht.

© Alina Fisch 2022-08-29