You & Jennifer – bülow

Amelie Michel

by Amelie Michel

Story

Heute ist dein Geburtstag. Gratuliert habe ich dir nicht, wieso auch? Stattdessen stehe ich in einigem Sicherheitsabstand vor deinem Haus und beobachte den Blumenstrauß in meiner Hand beim Verwelken. Auf dem Weg zu dir habe ich jede aufkeimende Frühlingsblume am Straßenrand mitgenommen, bis ich das Unkraut in meiner Hand als Strauß bezeichnen konnte.

Wahrscheinlich genauso eine bescheuerte Idee, wie den ganzen Weg zu dir zu laufen. Aber als ich heute das Haus verließ, folgten meine Füße ohne, dass ich es merkte, den altbekannten Straßen, obwohl ich diese schon lange nicht mehr betreten habe. Seit vier Monaten, um genau zu sein.

Soll ich klingeln? Darüber debattierte ich schon meine ganze Wartezeit über. Was würde passieren, wenn du die Tür öffnest? Zunächst würdest du deine Stirn sicher in Falten legen, doch vielleicht stielt sich ein nostalgisches Lächeln davon, das mir zeigt, dass du mich noch nicht ganz aus deinem Herzen verdrängt hast.

Wie wäre es, deine Stimme wiederzuhören, die manchmal meine Träume moderiert? Würdest du mich überhaupt wiedersehen wollen, so sehr, wie ich dich? Das gilt es wohl herauszufinden. Gerade als ich ansetze, den nächsten Schritt zu dir zu wagen, öffnet sich deine Haustüre. Allerdings nicht von dir.

Sie lacht, als sie deine Türschwelle übertritt. Wahrscheinlich hast du wieder einen von deinen furchtbar schlechten Witzen erzählt. Sie dreht sich um und will gerade auf die Straße treten, doch du greifst nach ihrer Hand und ziehst sie zu dir zurück. Ihr Kichern erstickst du mit einem Kuss. Mich hast du nie zu dir zurückgezogen, als ich noch das Mädchen war, das über deine miserablen Komödie – Einlagen schmunzelte. Du hast immer direkt die Haustür nach dem Abschiedskuss zugezogen.

Ich wusste nicht, dass du und Jennifer wirklich offiziell seid. Natürlich habe ich die Gerüchte gehört, aber lieber geglaubt, dass du mich genauso wie ich dich nicht ganz vergessen kannst. Aber anscheinend hast du unsere Erinnerungen ohne Probleme verloren und bist gerade dabei, sie zu ersetzten.

Bemerkt habt ihr mich noch nicht. Zu sehr seid ihr gefangen in dem „Happy End“, das du nicht verdient hast. Unschlüssig stehe ich da. Um mich schweben die Einzelteile meines Blumenstraußes in einer leichten Brise gen Boden. Noch eine Weile verharre ich in meiner Position, bis es Zeit wird, dir endgültig den Rücken zu kehren. Dieses Mal nehme ich einen anderen Weg zurück.

© Amelie Michel 2022-08-27

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