Zerwuzzelte Kurzgeschichten

Margit Berger

by Margit Berger

Story

Zusammengeschnittene Seiten der Kronenzeitung waren das Klopapier meiner Großmutter. Immer elegant angezogen mit Pelzmantel und Hut, Handtasche und Schuhen im gleichen Farbton, aber dort wo sie sparen konnte, sparte sie. So auch beim Toilettenpapier. Selbst als es nicht mehr notwendig war und man günstiges kaufen konnte. Vielleicht auch aus Gewohnheit. Sie hat zwei Weltkriege und die Nachkriegszeit miterlebt. An dieses Papier musste ich denken, als für Tage das Toilettenpapier ausverkauft war. „Macht nix“, dann nehme ich auch wie in Kindertagen eine Zeitung, falte sie in die Hälfte und noch einmal, reiße sie auseinander, bohre mit einem dicken Nagel ein Loch durch, fädle sie auf einen Wollfaden, hänge sie an einen Haken. Der besondere Trick dabei ist, dass man die Teile zusammenknüllt und durch hin- und herwuzzeln sie viel weicher macht. Zeitschriften sind dazu leider ungeeignet, zu hart und rutschen auf den Pobacken ab. Kleinformatige Tageszeitungen saugen nicht nur Hausmeistergeschichten, sondern auch Notdurft besser auf.

Aber das Papier war in der Zeit meiner beinahe täglichen Besuche nach der Schule bei meiner geliebten Omi, nicht nur Mittel zum Zweck sondern auch interessante Lektüre. Statt Mickeymouse-Heftchen, diese waren in unserem Haushalt verpönt, las ich gemütlich die neuesten Schlagzeilen am WC. Sie waren zwar zerstückelt, doch dadurch regten sie meine blühende Phantasie zu noch bunteren Bildern an, einzelne Zeilen des Chronikteiles wurden zu mörderischen Krimis weitergesponnen. Ganz in Gedanken versunken überhörte ich dann zumeist das erste laute Klopfen meiner Schwestern oder anderer Familienmitglieder die dringend auch mussten. Ziemlich genau sehe ich auch noch Teile einer Fortsetzungsgeschichte vor mir, ein Comic-Strip für Erwachsene. Ein Gorilla konnte sich in verschiedene Zustände verwandeln, so heiß wie ein Vulkan werden und auch Feuer spucken, in Eis verwandeln oder so winzig werden, dass er sich in der Hosentasche des eigentlichen Helden verstecken konnte. “Mahhhh, bei einem Mathelehrer hätte ich mir das auch gewünscht, in der Hosentasche meiner Freundin zu verschwinden!”

Meine Großmutter hat die Krone nicht nur wegen des Formates gemocht, sondern wegen der Sportnachrichten. Sie ist die einzige Frau dieser Generation die ich kenne, die sich damals für Sport und insbesondere für Eishockey interessierte. Sie liebte es, dem flinken Puck im schwarzweiß TV zu verfolgen, fieberte 1967 bei der Eishockeyweltmeisterschaft mit, die damals in Wien in der Stadthalle und der Donaustadthalle, extra für diesen Zweck errichtet, ausgetragen wurde.

© Margit Berger 2020-04-23