Zufall in Petrol und Flieder

Anna Geier

by Anna Geier

Story
Marchfeld

Synchronizitäten mag ich sehr und diese passieren mir auch immer wieder. Vor einigen Tagen gab mir eine Nachbarin 3 Hosen, die ihr nicht mehr passten. Die Hose in Petrol zog ich am nächsten Tag gleich an, ging bei Sonnenschein hinaus und setzte mich zum Feuerplatz der Nachbarsiedlung. Die Farbe hatte es mir angetan und so sinnierte ich über die Bedeutung. Petrol steht für Gleichgewicht und Harmonie. Blau, die heilende Energie des Wassers, die emotionale und geistige Blockaden lösen kann. Grün ist ein Symbol für Wachstum und Erneuerung. Petrol fördert Kommunikation und unterstützt Intuition und Empathie. Die Farbe kann ein Schutzschild der Gelassenheit und Ruhe schaffen.

Eingetaucht in die Schönheit der Farbe, hörte ich plötzlich eine Stimme. Von meinem Farbtraum erwacht, stand er vor mir. Es war der Exmann der Nachbarin, die mir tags zuvor diese Hose gegeben hatte. Osman, ein Marathonläufer blickte auf mich herab. Mein Staunen konnte ich kaum verbergen, denn er wohnt seit 30 Jahren nicht mehr in unserer Siedlung. Er kannte mich nicht, aber ich wusste, wer er ist. Da er den Kontakt suchte, musste ich ihm immer wieder antworten. Innerlich war ich unruhig. Dann setzte er sich zu mir. Nicht locker lassend schaffte er es, mich zu einer Waldrunde aufzustampern, um Parasole zu suchen. Zuerst musste ich nur meine Hemmungen loswerden. Mein lädiertes Knie und meine restlichen Nervenschmerzen forderten mich heraus. Ich wollte doch nicht wie ein hatschendes altes Weib neben dem Marathonläufer erscheinen, deshalb legte ich ein ordentliches Tempo vor. Durch den Wald raste ich förmlich. Neben mir kreischten aufgescheuchte, davonfliegende Fasane und hinter mir Osman, der Läufer. Das war ein Bild des Unglaublichen. Keinen einzigen Parasol konnten wir finden. Wahrscheinlich sind die auch vor uns davon gehüpft. Aber ich hatte es geschafft, ihn hinter mir zu lassen. Irgendwann kamen wir an eine Kreuzung, wo ich erschöpft stehen blieb und ihm seinen Weg nach Hause zeigte. “Der Weg geht zum Friedhof und der andere Weg führt zum Fußballplatz”, keuchte ich ihn an. Er schmunzelte und meinte: “Ich gehe zum Fußballplatz”.

Da trennten sich unsere Wege wieder. Meinen kompletten Bewegungsapparat in Schwung gesetzt setzte ich den Weg nach Hause gemütlich fort. Immer wieder daran denkend, an den Marathonläufer, der zwar seit Corona nicht mehr läuft, weil er zu wenig Training hatte, aber sein lockerer Körper mir bei Weitem überlegen ist. Aufgeben ist keine Devise, eh klar!

Nettes Detail zum Abschluss: Da ich eine fliederfarbene Weste anhatte, fand ich auch noch frischen blühenden Flieder. Eigentlich unglaublich, denn im Herbst hatte ich noch nie einen Flieder blühen gesehen.

© Anna Geier 2024-11-02

Genres
Novels & Stories
Moods
Herausfordernd