Zuhause. Endlich. Wieder.

Ellen Westphal

by Ellen Westphal

Story

Leiser Nieselregen weht mir ins Gesicht, als ich das flache Gebäude am Flughafen verlasse. Ich atme tief durch und schließe die Augen. Zuhause! Endlich. Ein langes Jahr habe ich auf diesen Moment gewartet. Die frischeste Luft, das heißeste Land, die Menschen mit dem höchsten Kaffeeverbrauch pro Kopf und einer Menge anderer Rekorde, die sie gerne erzählen. Vor allem an grauen Tagen in der Blauen Lagune oder unter dem Regenbogen in einem versteckten Hotpool irgendwo im Hochland.

Island atmet Freiheit, das Island der 90er Jahre vergangenen Jahrhunderts.

Schon damals galt die Insel nicht mehr als Geheimtipp. Doch heute? Heute stellen die Deutschen nicht mehr die größte Touristengruppe. Und ich sehne mich danach zurück, meine Wertsachen im Zelt liegen lassen zu können, wenn ich im Freibad neben dem Campingplatz von Reykjavik schwimmen gehen will. Denn das ist längst nicht mehr anzuraten. Das Baden schon. Aber Wertsachen alleine lassen weniger. Ein Seufzer. Ein winzig bisschen Schwere in der Brust. Das war möglich. War. Damals, als ich mich verliebt habe. Heimat, das ist eben auch vergangene Schönheit, Erinnerung, Abenteuer.

Einsame Wasserfälle und andere Naturwunder, die nur hinter vorgehaltener Hand verraten wurden: Gibt es sie noch? An denen, die mir zugeflüstert wurden, wurden längst Rastplätze errichtet.

„Ein Zaun? So etwas gibt es auf Island nicht!“ Ein stolzer Ausspruch einer alten Dame. Einer meiner ersten Kontakte mit Einheimischen Anfang der 90er-Jahre. Ganz entsprach er nicht der Wahrheit, war bereits ein wenig Nostalgie und Ideal. Aber immerhin selten, und noch seltener als Durchgangsverbot gemeint. Eher als Schutz, zum Beispiel vor Rindern.

Lange ist es her, dass sich die Isländer nicht gegen aufdringliche Gäste abgrenzen mussten. Willkommen waren Camper auch irgendwo im Lavafeld, weit von jeder Siedlung entfernt und doch auf Privatbesitz. „You’re welcome.“ Klar könnt ihr hier übernachten, über unsere Felder laufen, unsere Vogelfelsen besuchen. Ehrensache, dass wir helfen, wenn sich wieder einmal jemand verstiegen hat oder in einem der Flüsse stecken geblieben ist, die auf den Allrad-Pisten durchquert werden müssen.

Gastfreundschaft, selbst in Tankstellen und kleinen Cafés: Die Sitte des „refill“, des Nachfüllens von Kaffee, sooft man möchte, zum Beispiel. Schade, dass es von so vielen, zu vielen Touristen missbraucht wurde. Ein paar Kronen pro Kopf zu zahlen, ist nicht zu viel verlangt, oder? Weder Kaffee noch Übernachtungen auf Campingplätzen waren teuer. Mit umgerechnet zehn DM zu zweit oder in den hochpreisigen Fällen pro Kopf, konnte sich eigentlich jeder leisten. Jedenfalls wir Studenten. Kein Grund, zu schummeln.

Schade, dass ich das erleben musste. Von gleichaltrigen Deutschen. Leute, wir sind hier zu Gast und jede unserer Handlungen auch Aushängeschild für unser Land. Wäre bitte gutes Benehmen möglich? Danke im Namen aller, die die Insel im Atlantik wieder bereisen wollen.

© Ellen Westphal 2023-01-23

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