Zwischen Fragezeichen und Ausrufezeichen

ᴀʏʟɪɴ

by ᴀʏʟɪɴ

Story
Frankfurt am Main

»Was ist geschehen?«, fragte mich gestern eine Bekannte. Eine Frage, die ich seit unserer letzten Begegnung aus einem unerklärlichen Grund öfters gestellt bekomme.

Ich beabsichtigte zu reagieren, aber die Sätze, die meine Empfindungen zu dieser Sache hätten ausdrücken können, vom Grund an die Oberfläche zu befördern, erforderte eine Anstrengung, die ich in dem Augenblick nicht aufzubringen vermochte.

Und doch schaute ich das Geschehene an – mit dem Abstand, den mehrere Kalenderblätter ermöglichten. Noch einmal lebte ich alle Szenen nach, angefangen von dem Augenblick unserer ersten flüchtigen Begegnung: als ich dich zum ersten Mal erblickte, hattest du deinen Blick schon auf mich gerichtet. Du warst Anfang zwanzig, doch haftete etwas Ernsthaftes an dir, das dich in meinen Augen zu einem sehr alten Zwanzigjährigen machte. Ich erinnerte mich an unseren ersten Smalltalk. Ein, zwei Sekunden, die gelegentlich in Sonnenstrahlung übergehen, bedeuteten sie doch, deine erste Eigenheit kennenzulernen.

Ich legte mich neben diese eine kleine Geschichte, für deren Einordnung es meines Erachtens einer Hintergrundmusik benötigt hätte.

Schließlich setzte ich mich neben unseren letzten Gedankenaustausch. An dem besagten Tag regnete es lange in dieser Stadt und die Sonne schien kurz. An einer Stelle entgegnetest du auf die Frage, was du für richtig hältst mit dem, was die Gesellschaft für dich in deiner männlichen Rolle vorgesehen hätte und ich senkte den Blick, um deine Selbstverleugnung nicht ansehen zu müssen.

Aus dieser Sache hätte ich so einige Schlüsse ziehen können, doch im Grunde habe ich nur drei Erkenntnisse daraus gezogen: erstens, dass ich im Stande bin, auf mich allein gestellt zu sein. Zweitens, dass einer, der den Eiszeiten getrotzt hatte, keine Furcht vor dem Frühling haben musste. Und drittens: dass der Frühling – mein Frühling – besser ist, wenn du ein Teil davon bist.  

Ich schaute also das Geschehene an. Und das Resultat lautete: Du.
Du bist geschehen!


© ᴀʏʟɪɴ 2025-06-04

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