Ohne Rauch geht's auch
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Ich war knapp Fünfzig vorbei und seit 30Jahren Raucherin. Bei einem Saunabesuch erzählte mir eine Freundin von einem Mentaltraining, das ihr geholfen hätte, Nichtraucherin zu werden.
Nachdem ich von ihr alles Wissenswerte erfahren hatte, war ich entschlossen, ebenfalls diese Gelegenheit zu ergreifen. Zwei Wochen später begann der Kurs. Das Schicksal nahm seinen Lauf und veränderte mein weiteres Leben gravierend.
Der Kursleiter - vermutlich medial veranlagt - schien in die Körper der Teilnehmer "hineinsehen zu können". Er bemerkte verschobene Lendenwirbel und bei einem Teilnehmer sogar eine Fettleber. Nach einem Blick in meine Augen stellte er trocken fest: "Du hast nur diese eine Chance! Eine zweite hast du nicht!" In meinem Kopf nahmen die schlimmsten Leiden Gestalt an. Diese Aussage ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
Gehormsam machte ich alle meine Zigaretten auf der Stelle unbrauchbar. Dabei sagte ich mit Überzeugung: "Ich nütze diese Chance. Nie wieder rauche ich!"
Meine Mitstreiter versprachen, mich energetisch die nächste Zeit zu unterstützen. Als ich nach Hause kam, wurde ich vor eine weitere Herausforderung gestellt. Ich fand eine Nachricht meines Mannes vor: "Bin mit Freunden unterwegs. Kann spät werden!"
Diese Situation war eine harte Prüfung für meine nikotingeschwächten Nerven. Der innere Schweinehund meldete sich prompt: "Niemand sieht, wenn du noch eine rauchst!Gib nicht so schnell auf!" Richtig vorwurfsvoll klang es. Und Schweinehund setzte noch eines drauf: "Du hast doch noch deine eisere Reserve! Im Vorhausschrank, zwischen den Urlaubsfotos...!"
Mein Gott, wäre das schön! Ein einziges Mal noch eine Zigarette mit allen ungesunden Inhaltsstoffen tief in meine Lunge inhalieren zu dürfen... zu spüren, wie das gewohnte Gift von den Zehenspitzen bis hin zur Zirbeldrüse in den äußersten Bronchialhärchen seinen Niederschlag findet...
Zu allem entschlossen, vernichtete ich auch diese fünf Päckchen auf dieselbe Art und Weise wie im Kurs und sagte dazu artig mein Sprüchlein auf. Aus jeder Pore meines Körpers strömte dabei unendliche Traurigkeit. Als ich die letzte Zigarette mittendurch brach, spürte ich, wie mich das Gefühl von Leere überkam. Es begann im Solarplexus und breitete sich gleichzeitig nach oben und nach unten aus.
Um wenigstens meinen Händen das Gefühl von Leere zu nehmen, begann ich die Küche zu putzen. Ich gestehe, dass ich nie zuvor und auch nie mehr danach so gründlich und ausdauernd meine Küche gereinigt habe.
Das hat anscheinend auch meinem inneren Schweinehund den Rest gegeben. Vor soviel mentaler Stärke kapitulierte er. Denn seit jenem Tag hat er sich niemals mehr zum Thema "Rauchen" gemeldet. Womit bewiesen ist: Ohne Rauch geht's auch!
© Heidrun Siebenhofer 2019-04-11
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