skip to main content

#angst#weihnachten#krieg

4. Hausdurchsuchung am Heiligen Abend

  • 154
4. Hausdurchsuchung am Heiligen Abend | story.one

Es war Weihnachten, Heiligabend 1944, als plötzlich die Türe aufging und drei schwer bewaffnete Hitler-Gendarmen hereintraten und "Hausdurchsuchung!" riefen. Ich hörte das und schrie in den Dachboden, wo gerade mein Stiefvater Hane mit seinem Bruder Otto im Zimmer waren: "Hane, komm schnell runter. Die Gendarmerie ist da." Ich wollte die Beiden warnen. Gleich darauf bekam ich von einem Gendarmen eine kräftige Ohrfeige.

Man schob mich zur Seite. Die Gendarmen stürmten den Dachboden hinauf und wollten in das Zimmer eindringen. Doch Hane und Otto hatten meine Warnung gehört und sperrten das Zimmer von innen ab. "Hane, komm sofort raus, sonst brechen wir die Tür auf", schrie ein Gendarm. Meine Mutter sagte zu uns Kindern: "Alle in den Wald, denn jeden Augenblick wird man Otto verhaften." Hane antwortete ruhig dem Gendarmen: "Ja, ja, ich mache gleich auf." So gewann sein Bruder etwas Zeit und sprang über den Balkon ins Freie. Die Gendarmen schlugen die Tür ein und fanden nur mehr Hane allein im Zimmer. "Warum machst du nicht auf, wenn die Gendarmerie das sagt?" Er stellte sich dumm. "Jo mei, es ist doch Heiliger Abend und ich dachte, es macht sich einer einen Spaß."

Die Gendarmen nahmen Hane mit, durchsuchten aber nicht das Zimmer. Sonst hätten sie die kommunistischen Schriften von Otto gefunden. Hane voraus treibend, durchsuchten sie den ganzen Dachboden ab. Sie fanden in der Nische ein Gewehr, das Hane irgendeinmal versteckt hatte. "Aha", sagte der Gendarm, "jetzt haben wir was gefunden." Wir hörten das alles nur von unten und waren schon auf das Schlimmste gefasst. Die Gendarmen kamen mit Hane wieder vom Dachboden. "Durchsuchen wir hier unten noch alles!", sagte ein Gendarm. Alle Betten wurden auf den Kopf gestellt. Doch sie fanden nichts.

Wir wussten nicht einmal, wonach sie genau suchten. Meine Mutter fragte nach. Endlich klärte sie der Postenkommandant auf: "Es sind Stoffe gestohlen worden und laut anonymer Anzeige könnte dies nur die Familie Mikula, mit den vielen Kindern, gewesen sein." "Was?", empörte sich meine Mutter, "sie suchen einen Stoff bei uns und werfen das ganze Haus auf den Kopf?" "Na ja, wir haben auch den Hane in Verdacht, dass er mit den Partisanen zusammenarbeitet. Ein Gewehr haben wir ja gefunden." "Ja und sonst?" "Sonst nichts. Den Stoff haben wir nicht finden können. Die Amtshandlung ist somit abgeschlossen." Ein Gendarm entschuldigte sich noch dafür, dass sie den Auftrag hatten, dies am Heiligen Abend zu tun. Dann marschierten sie ab. Den Hane nahmen sie mit. "Morgen kommt er wieder nach Hause.", meinte der Gendarm. Es war Heiliger Abend, 22.00 Uhr.

Ich weiß noch, wie meine Mutter die Hände in den Himmel hob und weinte. "Ist das möglich, dass wir noch leben?" Hane kam am nächsten Tag nicht zurück. Er wurde wegen Zusammenarbeit mit den Partisanen nach Klagenfurt überstellt und kam erst nach einigen Monaten wieder heim.

Otto kam nicht mehr zu uns ins Haus und wurde Partisanenkommandant.

© Kurt Mikula 2019-08-30

Kommentare

Gehöre zu den Ersten, die die Geschichte kommentieren

Jede*r Autor*in freut sich über Feedback! Registriere dich kostenlos,
um einen Kommentar zu hinterlassen.