Hausdurchsuchung am Heiligen Abend
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Aus den Tagebuchaufzeichnungen meines Vaters:
"Es war Weihnachten, Heiligabend 1944, als plötzlich die Türe aufging und drei schwer bewaffnete Hitler-Gendarmen hereintraten. "Hausdurchsuchung!" Ich hörte das und schrie in den Dachboden, wo gerade mein Stiefvater Hane mit seinem Bruder Otto im Zimmer waren. Otto war zuvor aus dem KZ nach Kärnten geflüchtet und hatte sich hier den Partisanen angeschlossen. Ab und zu versteckte er sich bei uns im Dachboden. So wie jetzt. "Hane komm schnell runter“, rief ich, „die Gendarmerie ist da." Ich wollte die beiden warnen. Gleich darauf bekam ich von einem Gendarmen eine kräftige Ohrfeige. Man schob mich zur Seite. Die Gendarmen stürmten in den Dachboden und wollten in das Zimmer eindringen. Doch Hane und Otto hatten meine Warnung gehört und sperrten das Zimmer von innen ab. " Hane, komm sofort raus, sonst brechen wir die Tür auf", schrie einer der Gendarmen. Die Mutter sagte zu uns Kindern: "Alle in den Wald, denn jeden Augenblick wird man Otto verhaften." Hane anwortete ruhig: "Ja,ja, ich mache gleich auf." So gewann Otto etwas Zeit und sprang über den Balkon ins Freie. Die Gendarmen schlugen die Tür ein und fanden nur mehr Hane im Zimmer. "Warum machst du nicht auf, wenn die Gendarmerie das sagt?" Er stellte sich dumm. "Jo mei, es ist doch Heiliger Abend und ich dachte, es macht sich einer einen Spaß."
Die Gendarmen nahmen Hane mit und durchsuchten nicht das Zimmer. Sonst hätten sie die kommunistischen Schriften von Otto gefunden. Den Hane voraustreibend, durchsuchten sie den ganzen Dachboden ab. Sie fanden in der Nische ein Gewehr, das Hane irgendwann einmal versteckt hatte. "Aha", sagte der Gendarm, "jetzt haben wir was gefunden." Wir hörten das alles nur von unten und waren schon auf das Schlimmste gefasst. Die Gendarmen kamen wieder mit Hane herunter.
Jetzt sagte ein Gendarm: "Durchsuchen wir hier unten noch alles." Alle Betten wurden auf den Kopf gestellt. Doch man fand nichts. Wir wussten nicht einmal, nach was sie suchten. Dann fragte meine Mutter vorsichtig nach. Endlich klärte sie der Kommandant auf: "Es sind Stoffe gestohlen worden und laut anonymer Anzeige könnte dies nur die Familie Mikula, mit den vielen Kindern, gewesen sein ." "Was?", empörte sich meine Mutter, "sie suchen einen Stoff bei uns und werfen das ganze Haus auf den Kopf?" "Na ja, wir haben auch den Hane in Verdacht, dass er mit den Partisanen zusammenarbeitet. Ein Gewehr haben wir ja gefunden." "Ja und sonst?" "Sonst nichts. Den Stoff haben wir nicht finden können. Die Amtshandlung ist abgeschlossen." Ein Gendarm entschuldigte sich noch dafür, dass sie den Auftrag hatten, dies am Heiligen Abend zu tun. Dann marschierten sie ab. Den Hane nahmen sie mit. Es war Heiliger Abend, 22.00 Uhr."
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Bild: Ich (ganze vorne rechts) mit meinen Brüdern und Freunden vor dem Elternhaus meines Vaters in Kärnten
© Kurt Mikula 2019-07-17
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