Brimor hatte den Kristall nach langem Suchen in einer verborgenen Nische am Ende eines schmalen Seitentunnels gefunden. Der Kobold hatte ihm den Weg zwar beschrieben, doch lag der Stein an einer anderen Stelle – von schwachem, eigenartigem Licht umgeben, als hätte er selbst eine geheimnisvolle Energie. Nun hielt Brimor ihn fest in der Faust, während er durch die endlosen Tunnel stapfte. Der Kristall schimmerte sanft, ein rotes Leuchten, das wie ein Stück Sonnenfeuer in seiner Hand lag. Und nicht nur das – das Ding schien seine Hand zu wärmen, eine lebendige Hitze, die ihn an ein Lagerfeuer erinnerte.
»Ein echtes Wunderwerk«, murmelte er und schüttelte den Kopf. Doch das warme Glühen des Kristalls konnte das kalte Gefühl in seiner Magengrube nicht vertreiben. Mit jedem Schritt wuchs das flaue Unbehagen. Es fühlte sich an, als wäre er beobachtet, verfolgt von unsichtbaren Augen, die aus den Schatten der Felsvorsprünge lugten. Er rieb sich die Stirn, schüttelte das Gefühl ab und sprach laut, um die bedrückende Stille zu durchbrechen.
»Was, wenn das Ding verflucht ist?« Seine Stimme hallte hohl in den weiten Tunnel hinein, wurde von den steinernen Wänden verzerrt und schien zu ihm zurückzukehren wie ein fremdes Echo. Er zwang sich zu einem schiefen Lächeln. »Brimor, mein Junge, du hast echt einen an der Klatsche«, murmelte er leise, versuchte, sich selbst zu beruhigen. Doch sein Blick zuckte nervös umher. Die Schatten der Felsvorsprünge schienen sich zu bewegen, als würden sie ihn beobachten.
Plötzlich erklang ein hohes, klirrendes Lachen, scharf wie zerbrechendes Glas. Brimor blieb wie angewurzelt stehen. Das Lachen hallte in den Tunneln wider, schien von allen Seiten zugleich zu kommen. Sein Herz raste, und er drehte sich hastig um. Nichts. Der Tunnel hinter ihm war leer, nur das flackernde Licht seiner Laterne tanzte an den Felswänden.
»Wer ist da?«, rief er, und seine Stimme zitterte leicht, trotz aller Bemühungen, sie fest klingen zu lassen. Er hob den Kristall vor sich, hielt ihn wie einen Talisman, der ihn beschützen sollte. Doch seine Finger zitterten leicht, und ein plötzlicher, kalter Windhauch strich durch den Tunnel. Es konnte unmöglich Zugluft sein – sie waren tief unter der Erde.
Dann hörte er die Stimme des Kobolds, schrill und kratzig, wie Nägel auf Schiefer. »Ah, der kleine Zwerg hat meinen Kristall gefunden!« Die Worte schienen direkt aus den Schatten zu kommen. Brimor drehte sich hektisch in alle Richtungen, doch der Kobold war nirgends zu sehen.
»Kobold!«, rief Brimor, seine Stimme nun lauter, durchzogen von Wut. »Zeig dich! Ich hab deinen Stein! Hör auf mit diesen Spielchen!«
Das Lachen ertönte erneut, diesmal direkter, näher. Und plötzlich, als hätte er sich aus der Dunkelheit selbst gewebt, stand der Kobold direkt vor ihm. Seine grünlichen Augen funkelten vor Schadenfreude, und sein Grinsen war breiter als jemals zuvor.
© Kreative-Schreibwelt 2025-02-07