Man sagt, man sollte den Feind besser kennen als sich selbst. Klingt gut in BĂŒchern, aber die Wahrheit? Ich hatte noch nie jemanden getroffen, der mich so verdammt gut kannte â und ich hasste es.
Die GlastĂŒr fiel hinter mir lautlos ins Schloss. Vor mir erstreckte sich Raum, so makellos, dass allein sein Anblick wehtat. Ein BĂŒro, das mehr ĂŒber seinen Besitzer sagte, als es jedes GesprĂ€ch je könnte.
Der Mann hinter dem Schreibtisch â ebenso perfekt wie seine Umgebung. Marcus Reed, der Tech-Mogul. GroĂ, schlank, in einem maĂgeschneiderten Anzug. Sein Gesicht? Glatt wie poliertes Glas, ein gesichtsloser Ausdruck, der sofort wieder aus dem GedĂ€chtnis verschwand. Keine Regung, keine Spur von Emotion. Nur diese seltsame Ruhe, die mir mehr Unbehagen bereitete als jede noch so gut gezielte Waffe.
»Willkommen, Ermittler«, sagte er mit einer tiefen, seidenweichen Stimme, als wÀren wir alte Schulfreunde. »Sie haben sich ganz schön ins Zeug gelegt, um hierherzukommen.«
»Ja, hab gehört, die besten PlĂ€tze sind schwer zu kriegen«, antwortete ich trocken, setzte mich und lieĂ meinen Blick durch den Raum schweifen. Kein einziges persönliches Detail. Kein Foto, keine Notizen, kein Papierstapel. Alles makellos â wie eine perfekt durchgefĂŒhrte Operation. Hier war ein Mann am Werk, der nichts dem Zufall ĂŒberlieĂ. Schon gar nicht mir.
»Oh, der berĂŒhmte Sarkasmus«, sagte er mit einem leichten LĂ€cheln, das allerdings nicht bis zu seinen Augen reichte. »Ich hatte gehört, dass Sie dafĂŒr bekannt sind. Schön zu sehen, dass das kein Mythos ist.«
»Schön, dass ich fĂŒr irgendwas bekannt bin«, entgegnete ich und hörte ein leises Glucksen im Ohr. Kai schien sich mal wieder zu amĂŒsieren. »Wollen wir damit anfangen, dass Sie mir erklĂ€ren, warum Sie einen Typen geschickt haben, um mich durch die halbe Stadt zu jagen? Oder war das etwa nur ein MissverstĂ€ndnis?«
Er lachte leise, fast mechanisch. »MissverstĂ€ndnis? Nein, Ermittler, ich arbeite nicht mit MissverstĂ€ndnissen. Aber ich gebe zu, ich war ĂŒberrascht, wie weit Sie gekommen sind. HartnĂ€ckigkeit â das schĂ€tze ich.«
»HartnÀckigkeit ist das Einzige, was mich in diesem Job hÀlt.« Ich erwiderte sein LÀcheln nicht, sondern lieà meine HÀnde locker auf die Armlehnen des Stuhls sinken. »Und jetzt? Ein kleiner Plausch, bevor Sie mich aus dem Fenster werfen?«
»Aus dem Fenster werfen? Wirklich, Ermittler, das ist so⊠primitiv.« Er erhob sich langsam und trat ans riesige Fenster hinter seinem Schreibtisch. Die Aussicht auf die Stadt war atemberaubend â das unaufhörliche Pulsieren des Lebens weit unter uns. »Abgesehen davon ist das Glas kugelsicher. Sie könnten es nicht mal zerkratzen, selbst wenn Sie es wollten.«
»Oh, das wÀre dann eine kurze Flugstunde«, kommentierte Kai in meinem Ohr.
»Schweig, Kai«, murmelte ich schnell, bevor Reed sich umdrehte und mich mit seinen eiskalten Augen fixierte.
© Kreative-Schreibwelt 2025-01-01