Donald und Dagobert

von Marion Glück

Story

Was für ein herrlicher Sommertag. Das Sonnenlicht würde ich heute wieder nur in der Mittagspause und nach Feierabend sehen. Noch vor 2 Jahren hatte ich mich sehr auf die Bankausbildung gefreut. ‚Goldene Zeiten kommen auf mich zu, wenn ich aus Amerika zurück sein werde‘, waren meine Gedanken, als ich die Zusage bekam.

Und jetzt hockte ich hier. Tagein, tagaus. Heute musste ich um 7.00 Uhr da sein. Teammeeting stand auf der Tagesordnung. Als ich beim ersten Mal dabei war, fiel ich fast vom Glauben ab. Kein Teammeeting, sondern ein „Rundmachen“, weil die Kundenberaterinnen zu wenig Umsatz brachten. Anschließend ging ich in den großen Keller mit Tresor. Geld zählen und für die Abgabe an den Geldtransport vorbereiten. Ich fühlte mich wie Donald Duck im Geldspeicher von Onkel Dagobert. Wenig Münzen, viele Scheine. Eine Million passt locker in eine Handtasche, wenn man es ordentlich bündelt und vakuumverpackt.

Kassendienst war schön. Geld kam. Geld ging. Nebenbei Klönschnack mit Kunden. Kurz vor Feierabend. Endlich. Ich sitze an meinem Schreibtisch. Ich zähle die Minuten. Die Schiebetür geht auf. Er kommt rein. Schlurfschritt. Abgerissene Klamotten. Dreitagebart. „Ich will ein Konto eröffnen.“

Anke, die Finanzberaterin am Schreibtisch ganz vorne, rümpft die Nase. Ich rieche ihn auch. Bei ihrer Blume auf dem Schreibtisch setzt spontan der Blätterfall ein. ‚Ist nur ihre Vorbereitung auf den Winter‘, heiterte ich mich in Gedanken auf. „Das macht die Azubine mit Ihnen.“ Sie weist auf mich. War ja klar. Er kommt auf mich zu. Der Geruch kommt mir bekannt vor. Ich lächele ihn an. Er lächelt überrascht zurück.

„T’schuldigung. Hab Gülle gefahren. Das Wetter ist bestens und dann wird die Ernte gut. Bin direkt vom Feld hierher. Mit Duschen hätte ich es sonst wieder nicht pünktlich geschafft.“

„Is schon gut. Ich kenne das von meinem Opa. Wenn die Stürme aufziehen, hilft er seinem Nachbarn, die Strohballen einholen.“ Wir plaudern über Schweine, Küken und Trecker.

„Ich brauche ein neues Konto.“ Ich lasse mir seinen Ausweis geben und eröffne sein Konto.

„Brauchen Sie Hilfe beim Kontenübertrag?“ Das wäre sehr nett. Ob das auch bei größeren Summen ohne Weiteres möglich wäre? Ist es. In Gedanken nenne ich ihn „Herrn Dagobert“.

Als er wieder raus ist, kommt Anke angestürmt. „Wieder so ein Assi. Wie der gestunken hat. Wehe, den haste mir zur Betreuung gegeben!“

„Nein, natürlich nicht.“

„Wer hat denn das Glück?“, fragt sie süffisant.

„Kathrin betreut ihn. Er bringt mehr als eine halbe Million Euro mit.“ Ankes Kinnlade fällt fast auf meinen Schreibtisch. Ich grinse sie an. In diesem Moment wird mir klar, wieso Geld stinkt.

© Marion Glück 2024-03-01

Genre*
Romane & Erzählungen, Biografien
Stimmung
Komisch, Reflektierend