Hormone

von Florian Kalenda

Story

Die Leberkässemmeln der Metzgerei Steurer sind legendär. Der Fichtl steht in der Schlange. Sein Magen brummt. Er blickt auf die Uhr. Kein Wunder, schon nach vier. Da grüßt ihn wer. Er hebt den Kopf und entschuldigt sich bei der Frau Hufnagel, dass er sie nicht gleich gesehen hat. Wenn das nicht ein Wink des Schicksals ist. Die Gemeinderätin von den Christlichen direkt vor ihm. Die kann ihm mit dem Milchleistungsprüfer helfen. Der Neue hat überzogene Vorstellungen, wann und wie oft er die Anlagen inspizieren muss. »Das ist schön, dass ich Sie treffe, Frau Hufnagel. Haben Sie nachher noch einen Moment?« – »Ich habe stets ein offenes Ohr für die Anliegen aller Bürger.« Die macht auf hochtrabend. Das gefällt dem Fichtl nicht. Er kann sie schließlich nicht hier beim Metzger, wo dich jeder hören kann, darum bitten, ihren Einfluss geltend zu machen. Also muss er andeuten und um den heißen Brei reden. »Schauen Sie, als erfahrene Politikerin wissen Sie sicherlich, wie wir Bauern schikaniert werden …« Die Hufnagel rückt mit spitzen Fingern ihre Brille zurecht. »Zumindest jammern die Bauern oft.« Das Luder!

Vielleicht sollte sich der Fichtl lieber an den Ehemann richten, der eine Spedition leitet und ebenfalls im Gemeinderat sitzt, wenn auch nur für den Bürgerverein. »Es ist halt nicht immer leicht«, sagt er. »Sie haben ja den alten Dräger gekannt. Mit dem bin ich sehr gut ausgekommen bis zu seiner Rente.« Mit der Hand am Brillengestell fixiert ihn die Hufnagel und sagt trocken: »Der Herr Dräger stand nicht im Ruf, unbestechlich zu sein!« Ja, ist das jetzt eine Andeutung oder was? Der Fichtl schaut besorgt zu den Hausfrauen vor ihnen, aber die interessieren sich nur für den Kinderwagen, den eine schiebt. Er überlegt, ob er laut werden soll, aber wie immer in solchen Momenten fällt ihm seine Mutter selig ein. Die hat ihm gesagt, nie darfst du die Frauen schlechter als deine Ochsen behandeln. Sei geduldig und lass sie nicht merken, dass du der Capo bist.

Jetzt ist die Hufnagel an der Reihe. Sie kauft eine Sportlersalami. Und er ist auch schon dran. »Was darf es denn nachher sein?«, fragt die zarte Frau Steurer in breitem Bairisch. Er bekommt die Leberkässemmel auf die Hand, hockt sich damit auf die Bank vor der Metzgerei in die Sonne und sieht dem Verkehr zu. Dass sich die Hufnagel zu ihm setzt, kommt unerwartet. Wo sie ihm akkurat nicht helfen will. »Wissen Sie«, fängt sie an, »ich habe etwas über Ihre Kühe gehört. Und zwar, dass Sie es mit den hormonellen Zusatzstoffen übertreiben.« – »Ich halt mich an die Regeln!«, braust der Fichtl auf. Die Hufnagel sagt nur ganz entspannt: »Beruhigen Sie sich!« und grüßt einen Passanten. »Wer behauptet das?«, möchte der Fichtl wissen. »Ich kann es Ihnen nicht sagen. Das Schreiben ist mir anonym zugegangen.« – »Das ist die Höhe«, ruft der Fichtl. Wieder drehen sich Leute nach ihm um. »Entschuldigen Sie, dass ich mich aufrege, aber das ist ehrenrührig.« Die Hufnagel legt ihm eine Hand auf den Ärmel. »Herr Fichtl, es gibt eine einfache Lösung!« Er kratzt sich am Kopf. »Welche jetzt?« – »Arbeiten Sie gut mit Ihrem Milchleistungsprüfer zusammen! Er kann Ihre Unschuld bezeugen.« Sie steht auf, nickt ihm noch einmal zu und lässt ihn stehen.

Der Fichtl sieht das letzte Eck Leberkäs traurig an. Der Appetit ist ihm vergangen. Er wirft den Rest den Möwen hin und wischt die Finger an der Jeanshose ab.

© Florian Kalenda 2024-01-26

Genre*
Romane & Erzählungen