Ich bin ein Außerirdischer

Ausgespuckt vom Universum, in der Erdumlaufbahn mit Weltraumschrott kollidiert, auf die Erde geschleudert, im Meer untergetaucht, in einem Walfischbauch die Kindheit verbracht. Hier erlernte ich die Sprache der Fische, deren Gesänge jäh verstummten, als ein japanischer Walfangjäger den Mutterleib mit Harpunen durchbohrte.

Meine Geburtsstunde!, sagten die Menschen, unwissend, dass ich schon vorher in den Stimmen der Natur gelebt hatte.

Ich bin ein anpassungsfähiges Geschöpf, also änderte ich mein Äußeres, indem ich die Kiemen ablegte, meine Flossen zurückbildete, und mir einen Bart in meiner Hautfarbe grün zulegte. So werde ich den Menschen ähnlicher sein, dachte ich.

Die Männer, die mich entdeckten, gaben mir einen Mantel um meine Natürlichkeit zu verhüllen. Sie behandelten mich wie einen seltenen Edelstein.

Im Zoo bekam ich einen Platz neben den Affen. Rasch verfluchte ich die Eisenstäbe, deren Anblick meiner Seele Schmerz zufügte. Und ich ärgerte mich über die vielen aufdringlichen Besucher, für die ich nicht mehr als ein Fotomotiv war.

Schließlich legte ich mich in die hinterste dunkle Ecke auf den Bauch, verweigerte die Nahrungsaufnahme und grub mich in mir ein.

Die Menschen machten sich nun Sorgen. Sie schickten ganze Delegationen, die mich von allen Seiten begutachteten und auf mich einredeten. Ich aber verstand ihre Sprache nicht.

Eines Tages war ich so dünn, dass ich durch die Gitterstäbe hindurch passte und nachts unbemerkt fliehen konnte.

Ich folgte keinem Ziel, nur meinen Füssen, die mich immer geradeaus trugen. Durch Wüsten, über Berge, durch verlassene und belebte Städte, Gärten und Wiesen.

Mit Einbruch der Dunkelheit gesellte ich mich unter die Menschen, hörte ihnen zu, ohne sie jedoch jemals zu verstehen.

Sie aber interessierten sich nicht mehr für mich. Manche lächelten mich an, andere lachten mich aus. Die meisten aber ignorierten mich. Ich empfand das als angenehm. Nachts schloss ich die Tür hinter mir, um meine Reise fortzusetzen.

Ich sehnte mich nach dem Meer. Nach dem Universum. Nach dem Ursprung des Lebens. Nach einem Ort, an dem mein Herz unbefangen schlagen durfte, und in dem ich mich in meiner natürlichen Gestalt aufrecht bewegen konnte.

Eines Tages sprachen Donner und Blitz zur Erde. Ich fasste all meinen Mut und stellte mich in den Blitz. Es dauerte Jahrzehnte, bis ich aus meinem tiefen Schlaf erwachte. Nun flog ich los, um die Welt zu erkunden. Es war eine andere Welt als jene, die ich früher bewohnt hatte. Ich bin jetzt ein Schmetterling. – 2009 geschrieben –