Kollateralschäden

Maro

von Maro

Story

Ich finde den Grundgedanken der Genderbewegung klasse – obwohl ich mich als kleiner Grammatik-Freak und Sprachen-Enthusiast rein optisch (!) weiterhin an vielen Gender-Markern wie dem allgegenwärtigen * störe. Das liegt aber hauptsächlich daran, dass man es immer noch nicht geschafft hat, einheitliche und auch für Nicht-Muttersprachler verständliche Regelungen einzuführen, wie man damit umzugehen hat und deswegen gerade jeder sein eigenes kleines Süppchen aus Sonderzeichen kocht. Was ich aber nicht unterstützen kann, ist sinnloses Verrammduseln von wehrlosen Wörtern, die niemandem etwas zuleide getan haben. Und da gehe ich auch auf die Barrikaden, die ich mir mühsam aus den Unterlagen meiner linguistischen Grundkurs-Lektionen und ein bisschen gesundem Menschenverstand zusammengezimmert habe. 

Zum Beispiel dann, wenn mir jemand etwas von “Mitglieder*innen” erzählen will und mich dann eine intolerante Mistsau rügt, weil ich missbilligend eine Augenbraue hochziehe. Ich verweise wortlos auf den Duden. Meine Augenbraue hat nämlich nichts mit meiner feministischen Einstellung zu tun; Das Wort “das Mitglied” ist von seiner grammatikalischen Natur aus ein Neutrum – es ist also buchstäblich schon so neutral, wie ein Wort nur irgendwie sein kann. Und jetzt kommt jemand daher, ent-neutralisiert gedankenlos und fahrlässig ein unschuldiges Wort und spickt es mit einem Stern – und wozu? Um etwas zu kreieren, was es längst gibt. Und ich soll dabei ruhig bleiben und zusehen? Dass ich nicht lache. Klar, die Intention dahinter war gut, aber Sie wissen ja, was man sagt: Das Gegenteil von gut ist nicht schlecht, sondern gut gemeint.

Übrigens sind auch Bildungseinrichtungen bei weitem nicht frei von diesem Makel. Kürzlich las ich eine Meldung, in der “ein Studierender” zitiert wurde. Wer eine Sekunde nachdenkt, dem fällt natürlich ein, dass sich das Wort “Student” bereits voll und ganz der maskulinen Deklination beugt, aber in habe langsam das Gefühl, dass sich in der heutigen Zeit immer weniger Leute wirklich Gedanken um den eigentlichen Sinn von Gendermaßnahmen machen: sprachliche Gleichberechtigung an Stellen ergänzen, die vorher nicht da war, um dem allgegenwärtigen Einfluss des Patriarchats entgegenzuwirken und Minderheiten zu integrieren – was richtig und wichtig ist. Stattdessen lautet heute die Devise “Hauptsache, niemand klatscht uns einen bösen Kommentar unter unseren Beitrag und schimpft uns intolerant”. Also wird einmal mit dem gedankenlosen Pinsel drübergesaubeutelt, und fertig ist der Lax. Ich empfinde das als sprachliche Kollateralschäden der Genderbewegung – und die haben rein gar nichts mehr mit Gleichstellung zu tun. Wenn es denn am Ende zum gewünschten Ergebnis führt, meinetwegen, aber ich lasse mir keine Intoleranz vorwerfen, nur weil mir korrekte Grammatik am Herzen liegt.

© Maro 2023-07-08

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