Monstrum

von Florian Kalenda

Story

Nicht der Fichtlbauer ist es, der als Erster bemerkt, wie der Vinz in den Stall tritt. Sondern der Kolumbus. Er hebt den Kopf und schiebt ihn neugierig über den Zaun. Der Kolumbus ist ein gescheiter Ochse, denkt der Vinz. Der Fichtl könnte ihn nachts im Hof anbinden. Der entdeckt jeden Einbrecher. Nur dass er sich dann von ihm streicheln lässt.

Jetzt hat der Fichtl gemerkt, dass wer da ist. Er dreht sich herum, wischt sich seine groben roten Hände an der Jeanshose ab und reicht dem Vinz die rechte. Auweh, denkt der, aber er will den Fichtl nicht gleich eingangs vor den Kopf stoßen. Der Bauer quetscht ihm die Hand. »Was willst von mir?« Direkt wie immer. Der Vinz weiß, schwindeln braucht er nicht. Der Fichtl ist ein schlauer Hund. Man kann ihn nicht täuschen. »Es ist wegen der Ochsen, Herr Fichtl. Wir, also meine Freunde und ich, wir würden gern am kommenden Samstag eine kleine Party machen. Ein rein privates Ochsenrennen, verstehen Sie.«

»Wo das?«, fragt der Fichtl. »Am Koglweg«, sagt der Vinz. Das ist der Wirtschaftsweg, der vom Aussichtshügel nach Bad Bründlholz hinunterführt. Wald und abgezäunte Weiden säumen ihn. Das ist quasi ideal. Kein Ochse kann sich da verlaufen. Platz für Zuschauer ist auch. Fichtls Kiefer arbeitet, während er es durchdenkt. »Am Volksfestsamstag«, sagt er schließlich. »An dem Tag, wo immer das Rennen gewesen ist. Nur dass sie es heuer verboten haben.« – »Rein privat«, betont der Vinz. »Die Gemeinde hat nichts damit zu tun.« – »Und die Zuschauer?« Jetzt muss der Vinz doch grinsen. »Wenn es sich herumspricht, können wir ja nichts dafür.«

Der Fichtlbauer verschränkt die Arme und mahlt mit dem Unterkiefer. Eine ganze Weile steht er da und sagt kein Wort. Soll er sich Zeit lassen, denkt der Vinz. Der versteht uns schon. Er ist im Grund selbst noch jung. Und unverheiratet! Erst letzte Woche hat er eine Heiratsannonce im Bründlholzer Boten geschaltet. Chiffre, aber leicht zu durchschauen. »Vermögender, gesunder Landwirt Mitte 30.« Da gibt es nicht viele in Bründlholz.

»Eine Bedingung hab ich«, sagt der Fichtl. »Alles, was Sie wollen«, sagt der Vinz. »Die Lisi lasst’s mitmachen!« Da haut es den Vinz fast aus den Latschen. »Das Monstrum? Wieso das?« – »Weil ich’s dir sag!«

Das ist jetzt wieder typisch. Der Fichtl ist selbst ein Monstrum, mit seinem riesigen Schädel und den großen Ohrwascheln. »Herr Fichtl, gefällt Ihnen die Lisi am Ende?« – »Red keinen Schmarren«, brummt der Bauer. »Sie ist ja eher ein Bursch als eine Braut. Sie könnt dein Bruder sein!« 

Der Vinz versteht das nicht. Aber er hat keine Wahl. Das Rennen muss stattfinden. »Also gut. Am Samstag um zehn kommen wir die Ochsen holen.« 

»Das Rennen ist wann?«, fragt der Fichtl. »Um zwei am Nachmittag.« Der Fichtl grinst. »Eine gute Zeit für einen Spaziergang. Vielleicht komm ich akkurat am Koglweg vorbei. Könnt ja sein! Vielleicht reitet die Lisi euch allen davon.« – »Eher nicht«, sagt der Vinz und gibt sich Mühe, dass er recht siegessicher dreinschaut.

© Florian Kalenda 2024-01-17

Genre*
Romane & Erzählungen