Seetreiben (1)

von Gerda Modera

Story
Seeboden 2023

Manchmal übertreibt er und zeigt mit aller Härte, was er drauf hat. Er lässt seiner Urgewalt freien Lauf und lässt nicht locker. Eigentlich ist es ja ihre Zeit. Wochenlang kämpft sie, wehrt sich. Manchmal schafft sie es für einige Minuten, manchmal sind es sogar ein paar Stunden. Dann strahlt sie, doch es fehlt ihr die Kraft. Seit gestern haben sich die Beiden nun arrangiert. Die Sonne hat gewonnen und der Regen hat sich verzupft.

In dieser langen Regenurlaubsperiode fehlte es mir an warmer Kleidung. – Nicht wirklich, die Daunenjacke habe ich aus Protest im Kasten gelassen. – Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut, sie spannte und juckte, es herbstelte total und ich war (zeitweise) grantig. Alles, worauf ich mich so gefreut hatte, wie wandern, meine morgendlichen Yogaübungen am See und vor allem das Seebaden war sprichwörtlich ins Wasser gefallen.

Doch im Regen mit der ganzen Familie durch den Wald zu streifen, den weichen Moosboden unter den Füßen zu spüren, gemeinsam die Schwammerlnasen zu aktivieren und viele Pilze zu finden, das war möglich. Die Enkel waren verzückt von den vielen Eierschwammerln und Parasolen und ihren neuen bunten Taschenmessern – etwas Blut hat der Jüngste allerdings im Wald zurückgelassen. – Und meine Töchter waren beglückt vom Aufspüren einiger Bilderbuchsteinpilze. Schwammerlputzen durfte ich alleine, aber das Festessen wurde gemeinsam bereitet: Panierte Parasole und Steinpilze mit Olivenöl, Petersilie und Parmesan. Ein Gedicht.

Aber selbst nach Tagen wollte und wollte der Regen nicht aufhören und richtete enorme Schäden an. In Kärnten „Land unter“, Hangrutschungen, friedliche Bacherl, die zu bedrohlichen Sturzbächen wurden. Gesperrte Strandbäder. 

Soviel Wasser von oben und unten. Bis mein Heimatsee übergegangen ist, sich übergeben hat. Und Plastik, Styropor und Holz ausgespuckt hat.

Und mit dem ersten Sonnentag hat es auch die Urlauber wieder aus ihren Unterkünften gelockt. Sie strampeln sich heftig ab oder fahren mit Turbo. Hoch auf die Almen und rund um den Millstättersee. Und es zieht sie zu ihm mit seiner tiefgrünen Farbe und seinem einmaligen Panorama. Der See wirkt nicht nur frisch (er ist um sechs Grad kälter als vor zwei Wochen), sondern befreit, fast erholt und bereit für den großen Ansturm. Und sie kommen schon aus allen Richtungen daher. Schleppen riesige Taschen. Es wird gepumpt, gepaddelt, gerudert, geturnt, Ball gespielt, gekrault, geköpfelt, relaxt und gelacht. Und endlich wieder mit der Sonne um die Wette gestrahlt.







© Gerda Modera 2023-08-13

Genre*
Romane & Erzählungen
Stimmung
Abenteuerlich, Herausfordernd, Hoffnungsvoll, Angespannt
Hashtags
Naturerleben, Urlaub, Enkel, Katastropheneinsatz, Dauerregen, Pilze, Seevergnügen