Segen der Versöhnung

Manfred Greisinger

von Manfred Greisinger

Story

Seit 17 Jahren gibt’s keinen Kontakt zwischen ihr und der Schwiegermutter. Wenn’s wenigstens tatsächlich gar kein Kontakt, buchstäblich Funkstille wäre: Aber nein, die beiden versorgen einander permanent mit negativsten Schwingungen. Und dazwischen steht er, der Ehemann UND Sohn. Wie mag es ihm in dieser grausamen Zerrissenheit ergehen?! Er besucht die Mutter – im Wissen, dass die Angetraute das als Illoyalität empfindet. „Wenn er bei ihr ist, wird er wieder gegen mich geimpft“, kommentiert sie abfällig. Das merke sie; er sei wie verändert, wenn er von ihr komme; dann brauche sie viele Stunden, um ihn wieder „einzurenken“ … Wenn er, das geliebte Einzelkind, hingegen die Wohnung der Mutter verlässt, um zu seiner – vermeintlich unpassenden – Frau zurück zu gehen, was empfindet dann die Mutter? Bedauern? Ja Aggression?

Alle drei sind in einer unglücklichen Gefühlslähmung verwoben. Alle drei blockieren ihr Wohlwollen füreinander. Denn: Was will eine Mutter? Dass es ihrem Kind stets gut gehe. Dass Eheleute einander ebenso „wohl wollen“, sollte klar sein; warum aber sollte Schwiegertöchtern das Wohlergehen der angeheirateten, nächsten Verwandten nicht ebenso ein Herzensanliegen sein?!

Es möge allen Lebewesen gut ergehen, lautet der Segenswunsch, der vor allem EINEM Lebewesen zum Heil gereicht: demjenigen, der es ausspricht.

VERSÖHNUNG ist der Wunderbegriff, die Heil-Droge.

Mein Mitgefühl weint bitterlich über die zahllosen „innerfamiliären Kriegsschauplätze“ im Umfeld. Da führt der Bruder – nach vermeintlichem Erb-Unrecht – seit Jahrzehnten gerichtsanhängige Klagen gegen Mutter und einzige Schwester. Da vermeidet eine Tochter seit Jahrzehnten jeden Kontakt zur vermeintlich grausamen Mutter (die von ihrem damaligen Mann per psychiatrischem Befund aus der Ehe geworfen wurde). Da kämpfen Mütter – und Väter – entsetzliche Fehden gegeneinander: also gegen jene Menschen, denen sie mal vor dem Traualter ewige Liebe schworen – und dieser Kampf wird auf den Rücken ihrer bedauernswerten Kinder ausgetragen, die unerbittlich hin und her geworfen/gezerrt werden. Da führen Partner brutale „U-Boot-Beziehungen“: Wo die Eine auftaucht, taucht der Andere unter …

Das weite Land der Seele ist ein Schlachtfeld. Unzählig sind die Verwundungen. Tausendfach sind die Möglichkeiten der Heilung. Und es gilt, keine Zeit zu verlieren! Wie glücklich bin ich, nicht bereuen zu müssen, meinen einzigen nächsten blutsverwandten Angehörigen, Vater wie Mutter, über deren Tod hinaus Liebe schuldig geblieben zu sein. Ich durfte in ihren jeweiligen letzten Lebensstunden ihre Hände halten, in tiefer Dankbarkeit für ihre unendliche Liebe, mit der sie mich stets nährten; und ich selbst hatte es ihnen wohl, so hoffe ich, in ebensolchem Übermaß zu Lebzeiten (!) gezeigt/spüren lassen.

In der Versöhnung liegt Segen! Versäumen wir keine Gelegenheit zur Liebe! Wir werden dadurch selbst veredelt – ja, Eros verleiht uns Flügel …

© Manfred Greisinger 2019-07-15

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