Schreiben.

Schreiben war schon immer etwas Intimes und Persönliches für mich. Ein prägnantes Ereignis meiner frühen Kindheit, so in der Kindergartenzeit, war das Verschwinden meiner großen Cousine Magdalena. In den 90ern lebte meine Cousine bei meiner Oma Margot, welche sie schon als Kleinkind großzog, im Koblenzer Stadtteil Goldgrube - nicht weit vom Stadtfriedhof und der Innenstadt entfernt. Magdalena war damals ein schlankes, großgewachsenes und herzliches Mädchen und obwohl sie mitten in der Pubertät war, hat sie mich regelmäßig nach der Schule aus dem Kindergarten abgeholt, mich mit zur Oma gebracht und sich aufmerksam um mich gekümmert. Egal ob ihre Freundinnen dabei waren oder wir alleine waren. Damals war Magdalena meine liebste Person. So durfte ich ihr auch manchmal bei ihren Schulaufgaben helfen – oder ehrlich gesagt eher in ihre Hefte malen – weil ich so gerne das machen wollte, was sie tat: Schreiben. Ich beobachtete sie öfters mal beim Schreiben. Ob es für die Schule war, Briefe an ihre Freundinnen, Liebesbriefe, Postkarten an mich - auch wenn ich nicht lesen konnte – oder aber auch das regelmäßige Schreiben und Pflegen eines Tagebuchs.

Diese wunderbaren Zeichen und Glyphen hatten etwas Magisches an sich, und ich verstand, dass ich mich dieser magischen und fremden Welt auch anschließen wollte.

Dann eines Nachmittags erschien Magdalena nicht von der Schule. Damals waren Handys eine Seltenheit, meine Oma machte sich erstmal keine großen Sorgen, es hätte ja sein können, dass Magdalena mit ihren Freundinnen unterwegs war. Aber als bis spät in die Nacht weder ein Anruf noch ein anderes Lebenszeichen von ihr kam, meldetet sich meine Oma bei meinen Eltern. So wurde ich nachts mit ins Auto gepackt und dann ins 20 km entfette Wohnzimmer meiner Oma entladen.
Ganze vier Personen, also meine Oma, meine Eltern und auch ich – obwohl ich nicht viel beitragen konnte – saßen im Wohnzimmer und hielten einen Krisen-Rat. Nach vielen Überlegungen und Diskussionen schlug mein Vater auf einmal vor Magdalenas Tagebuch zu lesen.
Dies taten alle Erwachsenen auch und in Windeseile war Magdalena gefunden.

Ab da wusste ich, dass alles was ich daheim jemals schreiben werde, auch gelesen wird.