Bestandsaufnahme

Corinna Winter

by Corinna Winter

Story

“Nehmen Sie doch Platz, meine Liebe, was kann ich für Sie tun?”, fragte der Teufel und rückte seinen PC zurecht. “Welche Anforderungen haben Sie an Ihre Hölle?” 

Eva blinzelte nur stumm. 

“Lou”, tadelte der Tod neben Eva. “Du wirst ihr die Tour geben müssen.” 

“Setzen Sie sich”, bat der Teufel und holte geschäftig Papier und Bleistift hervor. “Wir werden zunächst einmal sehen, was Sie so mitbringen und daraus Ihre Hölle perfekt passend anfertigen.” 

Eva ließ sich steif auf einen der unbequemen Plastikstühle sinken, während er er sich in ihr unbekannter Schrift Notizen machte: “Eine Ungläubige, also genau richtig hier.” 

Er sah auf und der Schalk funkelte in seinen dunklen Augen: “Nicht, dass Unglaube allein Sie in die Hölle gebracht hat. Da gibt’s noch mehr zu holen.” 

Er sah ihr tief in die Augen und Eva rutschte peinlich berührt auf ihrem Stuhl herum. Was? Erneut machte er sich Notizen, dann ging er die Liste mit Eva durch: “Mir gefällt Ihre Gefühlskälte, damit kann ich gut arbeiten. Besonders damit, dass Sie es stets bereut haben, aber nichts geändert. Also mangelndes Durchsetzungsvermögen, sieht man an dem abgebrochenen Studium und der Fahrt, die sie erst in den Tod getrieben hat. Oh, diese Reue, aber die Unentschlossenheit und Selbstzweifel haben Sie klein gehalten, keine Freunde, niemanden, der auf Sie wartet. Ständig damit unzufrieden, aber nie den Mumm, was zu ändern.” 

“Ich weiß genau, was Sie brauchen”, wandte er sich fröhlich an Eva und legte den Notizblock zur Seite. Aber sie hörte die Worte kaum. Ja, sie war oft gedemütigt worden, aber so? Eva war den Tränen nahe. Vergoss eine. 

“Lou, du brauchst sie nicht jetzt schon zu foltern”, sprach der Tod. Der Teufel schielte zu ihr, dann ergriff er Evas Hand. Die seine war kühl, aber nahezu angenehm. Seine Stimme war es jedoch nicht, als er ihr versicherte: “Stimmt. Kommen Sie, wir finden jetzt Ihre perfekte Hölle für die ewige Verdammnis.” 

Eva schniefte und stammelte verwirrt: “Ich verstehe nicht…” 

Der Teufel tätschelte ihre Hand und erklärte: “Jeder, der zumindest irgendwie an etwas glaubt, hat eine Vorstellung von seiner Hölle. Sie nicht. Sie glauben an gar nichts, am allerwenigsten an sich selbst, also weiß ihre Seele nicht, wohin mit sich. Aber dafür gibt es mich.” 

Er stand auf und bedeutete ihr zu folgen: “Wir haben hier alles, was die Hölle zu bieten hat. Da Sie nicht unbewusst entschieden haben, wie Sie für alle Ewigkeit gepeinigt werden wollen, dürfen Sie es sich aussuchen!”



© Corinna Winter 2023-05-24

Genres
Novels & Stories, Science Fiction & Fantasy
Moods
Emotional, Reflektierend, Dunkel
Hashtags