by Anna Fock
Und immer noch liegt da dein Ring: auffällig, silbern und verschnörkelt. Ein Unikat, hast du gesagt. Ein Unikat, das seit deinem Besuch meinen Nachttisch ziert. Du kannst ihn behalten, hast du gesagt. Und doch ist er viel zu groß für meine Finger. Ich habe ihn anprobiert und obwohl Silber nicht meine Farbe ist, gefiel mir, wie er sich um meinen Mittelfinger legt, auch wenn er fast wieder runterrutscht. Einen Tag lang lief ich damit durch meine Wohnung und musste jedes Mal lächeln, wenn mein Blick ihn traf. Und doch hatte ich Angst, ihn zu verlieren, also nahm er wieder seinen Platz auf dem Nachttisch ein.
Verloren war er schon einmal und es hat drei Wochen gedauert, bis er in der hintersten Ecke des Zimmers aufgetaucht ist. Drei Wochen, die ich und der Ring bereits ohne dich verbracht hatten. Drei Wochen zu viel.
Immer, wenn ich den Ring auf dem Nachttisch sehe, muss ich an deinen Besuch zurückdenken. Aufregend und leidenschaftlich, fast wie vor 6 Jahren, als wir für kurze Zeit ein Paar waren. Wir waren wieder die jungen Studenten an der Uni, die nebeneinander in der letzten Reihe in Statistik sitzen, sich tausende Nachrichten schreiben und stundenlang miteinander reden können. Viele Erinnerungen sind verblasst, doch einige Bilder haben sich in mein Gehirn eingebrannt: Wir beide Hand in Hand im Kunstmuseum, wo wir uns über die Bilder lustig machen. Mein Kopf auf deiner Schulter auf der anschließenden Rückfahrt mit der Bahn. Der lange Kuss in meiner kleinen Studentenbude, nachdem wir ein Paar wurden. Die entspannten Abende bei einigen Bier in deiner WG, als noch keiner von unserer Beziehung wusste und wir das Knistern zwischen uns vertuschen mussten.
Noch immer faszinierst du mich und ich kenne niemanden wie dich. Deine langen, dunklen und lockigen Haare, die 1000 Ketten mit den 1000 Kreuzen daran. Eine zieren griechische Augen, die den Besitzer laut der Mythologie vor allem Bösen schützen. Deine dunklen Hemden mit den schönen Mustern, grün steht dir. Das Armband mit den silbernen Herzen und das Heiligenarmband, auf dem noch die heilige Maria und die heilige Anna übrig sind, die zu deinem Schutzengel werden können. Du wirkst sehr männlich, trägst einen Bart, deine maßgefertigten Ringe und ich durfte deine Nägel in dem dunkel glitzernden Blauton lackieren, den wir zusammen ausgesucht haben. Der Rauch deiner Pfeife und deine geistreichen Komplimente. Sogar dein Humor, den ich nicht verstehe, ist geistreich. Du hast Geschmack, liest Woyzeck, hattest dein ganzes Gepäck für die Woche in einem kleinen Rucksack verstaut und trotzdem war da Platz für einen chinesischen, handgearbeiteten Fächer. Du hast alle Pläne für mich über Bord geworfen und wir haben vor drei Wochen einen gemeinsamen Urlaub verbracht, als würden die sechs Jahre nicht zwischen uns stehen. Während du von Toleranz und dem Leben und der Liebe redetest, habe ich deine Silhouette auf dem Liegestuhl betrachtet.
Und immer noch denke ich an die Leidenschaft, die zwischen uns herrschte, als hätten wir die letzten sechs Jahre nicht getrennt verbracht. In einem Monat sehen wir uns wieder und ich kann dir deinen Ring an den Finger stecken, wo er hingehört, und dich wieder in meine Arme schließen.
© Anna Fock 2023-11-24