DIE GIFTIGSTE SPINNE DER WELT FUHR MIT

Schadi44

by Schadi44

Story

Es war am zweiten Tag unserer langen Camperreise durch Australien. Wir waren auf einem Campingplatz unweit von Sydney. Die erste Nacht war problemlos. Dann, als wir zur zweiten Etappe losfahren wollten – Ilse schickte sich daran die Türe zuzuziehen – ein Aufschrei: «Eine Spinne!» Ich habe nur einen dunklen Schatten wahrgenommen. Das «Viech» sei direkt von oberhalb der Türe in den Fahrerraum gesprungen. Wir suchten, fanden aber nichts, erkundigten uns jedoch zur Sicherheit beim Campingwart, ob von den hiesigen Spinnen Gefahr drohte. Er lachte nur und meinte, selbst wenn wir gebissen würden, gäbe es nicht mehr als eine gerötete Stelle. Wir hatten trotzdem ein ungutes Gefühl und suchten nochmals alles ab. Vielleicht hat sie sich ja in den Motorraum verzogen, hofften wir und fuhren los. Sicherheitshalber krempelte ich meine Hosen hoch, denn eine Spinne, die mir das Bein hinaufkrabbelt war nicht das, was ich mir am sehnlichsten wünschte.

Es war eine angespannte Fahrt. Nach nur 200 Kilometern machten wir Halt. Ein kleines Städtchen am Meer lud zum Verweilen ein. Die Spinne hatten wir schon fast vergessen. Als wir am Abend beim Kartenspielen im rückwärtigen Teil des Campers waren und schon ans Insbettgehen dachten, sah Ilse plötzlich das Krabbeltier hinter dem Fahrersitz auf dem Regenschirm sitzen. Ich rannte hinaus und wollte den «Feind» von vorne durch die Türe in die Flucht schlagen. Hinten im Wohnraum waren keine Schlupfmöglichkeiten. Bevor ich mich von aussen richtig auf das Manöver vorbereiten konnte, packte Ilse – mutig wie einst Jeanne d’Arc– eine Salatschüssel als Waffe und stülpte sie über den Feind. Da diese Plasticschüssel durchsichtig war, konnten wir die etwa zehn Zentimeter grosse schwarzgraue Spinne genauestens begutachten. Wir beschlossen dann, die gefangene Kreatur, die uns ja jetzt nichts mehr anhaben konnte, am Leben zu lassen. Zu diesem Zweck schoben wir ein Plasticmäppchen unter die Schüssel, ich trug diese Falle dann vorsichtig nach draussen und entliess unseren ungebetenen Fahrgast gut hundert Meter vom Camper weg in die Freiheit.

Zurück im Auto nahmen wir das Australienbuch hervor, in welchem wir im Kapitel über die Fauna «unsere» Spinne abgebildet sahen mit dem Text: «Die zur Familie der Hexathelidae gehörende Atrax robustus (engl. Sydney funnelweb spider; deutsch Sydney Trichternetzspinne) kommt sowohl im Stadtgebiet wie auch in der Umgebung von Sydney vor. Sie gehört zu den wenigen Spinnen, die auch dem Menschen ernsthaften Schaden bis hin zum Tod zufügen kann».

Na dann Prost! Im Nachhinein kann man diese wahre Begebenheit schon als Schmunzelgeschichte erzählen – für uns war es aber damals eher eine Gruselgeschichte.

© Schadi44 2019-04-21